Der Name der „Weltbühne“, Teil 2
Sie ist wieder da. In Bahnhofsbuchhandlungen, ob Berlin oder Köln, steht die kleine Zeitschrift mit dem roten Umschlag wieder zum Verkauf. Es steht wirklich „Die Weltbühne“ drauf, sowie „Der Schaubühne CXXI. Jahr.“
Wie konnte das passieren? Und wer steckt dahinter?

Seit 1993 gab es die „Weltbühne“ nicht mehr. Warum die Zeitschrift eingestellt wurde, ist in diesem Text ausführlich beschrieben. Hintergrund waren Streitigkeiten um die Titelrechte, die der Sohn Siegfried Jacobsohns, Peter Jacobsohn, nach dem Fall der Mauer geltend gemacht hatte. Jacobsohn sah sich dem Erbe der Weimarer „Weltbühne“ verpflichtet und nicht der Tradition der DDR-„Weltbühne“, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Carl von Ossietzkys Ehefrau Maud und Hans Leonhard herausgegeben worden war.
Der damalige Eigentümer des Weltbühne-Verlags, der Frankfurter Immobilienunternehmer Bernd Lunkewitz, wollte sich nicht mit Jacobsohn vor Gericht streiten und erkannte dessen Ansprüche an.
In einem Vergleich wollte Lunkewitz einen Weltbühne-Beirat berufen, dem Peter Jacobsohn „auf Lebenszeit“ vorsitzen sollte. Dabei sah sich Lunkewitz laut Gerichtsprotokoll verpflichtet,
als Beiratsmitglieder allgemein anerkannte Persönlichkeiten zu berufen. Allgemein anerkannte Persönlichkeiten im Sinne dieses Vergleichs sind Persönlichkeiten wie z.B. Walter Jens, Günter Grass, Christa Wolf, Jurek Becker oder Stefan Heym.
Doch Jacobsohn lehnte den Vergleich ab. Lunkewitz stellte die Zeitschrift umgehend und gegen den Willen der Redaktion ein. Diese hätte den Prozess lieber fortgeführt.
Seit dem Aus der Ost-„Weltbühne“ haben sich mit dem „Ossietzky“ und dem „Blättchen“ bereits zwei Publikationen in die Tradition der „Weltbühne“ gestellt. Der „Ossietzky“ sollte ursprünglich „Weltbühne“ heißen, doch die Herausgeber um Eckart Spoo besaßen nicht die Titelrechte.
Woher könnten die neuen Herausgeber die Titelrechte bekommen haben? In der Süddeutschen Zeitung heißt es dazu:
Doch nun hat Lunkewitz anscheinend Friedrich seine Rechte für Deutschland und die EU übertragen, man habe „höflich gefragt“, sich zusammengesetzt „und ein faires Angebot unterbreitet“, schreibt Karim Khani auf SZ-Anfrage.
Das ist natürlich Humbug, denn Lunkewitz hat seit 1993 nichts mehr mit der „Weltbühne“ zu tun. Um das herauszufinden, reicht ein Blick ins Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA). Dort sind erstaunlicherweise zwei Wortmarken zur „Weltbühne“ angemeldet. Der Inhaber der Registernummer 30258206 ist aktuell die FFR Holding AG. Als damit verbundene Personen sind Paul Orbit Friedrich und Silke Friedrich eingetragen. Silke ist die Ehefrau von Holger Friedrich, dem Verleger der „Berliner Zeitung“ und seit neuestem der „Weltbühne“. Paul Orbit möglicherweise der 1998 geborene Sohn.
Die übernommene Marke wurde bereits am 2. Dezember 2002 eingetragen, und zwar vom Verlag Ossietzky GmbH in Hannover. Spoo wollte sich damals die Markenrechte sichern, um „Missbrauch“ zu verhindern. Denn damals hatte in Berlin ein Restaurant unter dem Namen Weltbühne eröffnet, was Spoo nicht gefiel.
Was ebenfalls auffällt: Vor der Übernahme durch die Friedrichs war ein Weltbühne e.V. Inhaber der Rechte. Dieser Verein wurde erst im September 2024 ins Vereinsregister eingetragen und hat seinen Sitz in Dähre in Sachsen-Anhalt. Kein Zufall, denn dort hatte bis Anfang 2024 der Verlag Ossietzky mit Geschäftsführer Matthias Berger seinen Sitz. Inzwischen ist der Verlag aufgelöst.
Der „Ossietzky“ schreibt nun in seinem Editorial:
Die Neugründung ist ein Herzensprojekt des Verlegers Holger Friedrich, der uns frühzeitig über sein Vorhaben informiert und um unsere Kooperation geworben hat. Die sichern wir gerne zu;
Das heißt: Friedrich hat die Rechte an der Wort/Bildmarke „Die Weltbühne“, die sich Spoo gesichert, aber nie genutzt hatte, für die neue Publikation übernommen. Wie hoch dieses „faire Angebot“ ausgefallen ist, hat die „Ossietzky“-Redaktion auf Anfrage noch nicht beantwortet.
Doch es gibt beim DPMA noch einen anderen Eintrag zur Wortmarke „Die Weltbühne“, unter der Nummer 39801561. Deren Inhaber ist der Enkel Jacobsohns, Nicholas, der in den USA lebt. Der Eintrag stammt noch aus dem Jahr 1998, das Schutzende läuft eigentlich zum 31. Januar 2028 aus.
Allerdings wurde am 22. April 2025 der Registerauskunft zufolge der Verfall der Schutzrechte beantragt. Der Grund: Nicholas Jacobsohn wollte im Gegensatz zum Weltbühne e.V. nicht mit Friedrich kooperieren. In einer Presseerklärung vom 22. Mai 2025 schrieb er:
Holger Friedrich habe ihn im Vorfeld kontaktiert, um sich seiner Unterstützung zu versichern. Das sei aus seiner Sicht nicht ernst gemeint gewesen, denn Friedrich habe bereits erste Fragen zu den Zielen und der inhaltlichen Ausrichtung nicht beantwortet. (…)
Als Maßnahme zur Absicherung seiner Neugründung reichte Holger Friedrich vor wenigen Wochen über seine Berliner Anwälte vor dem Deutschen Patent- und Markenamt Anträge auf Löschung dieser Marken ein.
Kurioserweise ist der Streit um die Titelrechte wieder dort angekommen, wo kurz nach der Wiedervereinigung schon einmal stand: Auf der einen Seite ein reicher Verleger, der eine Zeitschrift mit dem Titel die „Weltbühne“ herausgeben will, auf der anderen Seite die Erben des jüdischen Begründers, die einen Missbrauch des Titels verhindern wollen.
Lunkewitz wollte diesen Streit damals nicht juristisch ausfechten und sagte:
Ich hätte jeglichen moralischen Anspruch verloren, ein solches Blatt gegen den erklärten Willen des jüdischen Erben herauszugeben.
Solche Skrupel scheint Friedrich nicht zu haben.
Natürlich lässt sich argumentieren, dass Markenrechte nicht nur angemeldet, sondern auch genutzt werden müssen. Zudem hatte Peter Jacobsohn die Klage gegen die Ost-„Weltbühne“ in erster Instanz vor dem Landgericht Frankfurt am Main verloren (Az: 3/12 O 74/91). In dem Urteil vom 27. November 1991 hieß es unter anderem:
Es steht zur Überzeugung der Kammer nicht fest, dass der Kläger berechtigter Inhaber des Rechts an dem Zeitschriftentitel „Die Weltbühne“ ist und sich befugterweise dieses Titels bedienen darf und damit wettbewerbsrechtlichen Titelschutz beanspruchen kann.
Markenanwalt Andreas Lubberger, der die Familie noch heute vertritt, rechnete sich aber gute Chancen aus, in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu gewinnen. Doch das spielt nun keine Rolle mehr. Denn Lunkewitz erkannte in einer Sitzung vom 18. Juni 1993 die Ansprüche Jacobsohns an.
Nun würde es in einem Prozess eher um die Frage gehen, ob die von der Familie Jacobsohn angemeldeten Titelrechte trotz jahrzehntelanger Nichtnutzung wirksam sind. Friedrich hat mit der Veröffentlichung der „Weltbühne“ zumindest Fakten geschaffen und kann eine Nutzung nachweisen. Lunkewitz vertrat später die Auffassung, dass die Nutzung im Grunde nicht verhindert werden könnte. „Alles Amateure“, sagte er 2003, „wenn jemand die ‚Weltbühne‘ verlegen wollte, könnte das nicht blockiert werden.“
Die entscheidende Frage lautet aber: Wozu das Ganze?
Wozu braucht es neben dem „Ossietzky“ und dem „Blättchen“ noch eine dritte Zeitschrift, die sich in die Tradition der „Weltbühne“ stellt? Nur weil man ein Leiche aus der Versenkung holt und ihr ein Namensschild umhängt, wird sie nicht wieder lebendig. Das ist eher eine Störung der Totenruhe oder Leichenschändung.
Und wer soll sich regelmäßig für 11 Euro ein kleines Heftchen mit 28 Seiten Inhalt kaufen? Bei einer Auflage von 25.000 Exemplaren wäre das für den Verlag sicherlich kein schlechtes Geschäft. Setzt Friedrich ebenso wie bei der „Berliner Zeitung“ auf russlandfreundliche Ostaligker?
Das ist nach den Texten der ersten Ausgabe leider zu erwarten. So erklärt die „Ossietzky“-Autorin Daniela Dahn in einer Art Grußwort, warum die russische Armee völlig ungefährlich ist:
Eine Armee, die größte Schwierigkeiten hat, in der benachbarten Ukraine von Dorf zu Dorf alle russischsprachigen Oblaste zu besetzen, dürfte weder die Motive noch die Fähigkeiten haben, im Konflikt mit der nach Rüstungsausgaben zehnfach überlegenen Nato deren Verteidigungsfall auszulösen.
Die arme Armee. Wer hat sie nur in diese Schwierigkeiten gebracht? Und warum muss sie diese ganzen Oblaste besetzen? Michael Hanfeld schreibt dazu in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:
Zynischer und blinder kann man den Vernichtungskrieg gegen die Ukraine und das Kriegstreiben des Moskauer Regimes kaum beschreiben.
Vielleicht sollte man zum besseren Verständnis der russischen Schwierigkeiten die Putin-Biografie lesen, die der neue „Weltbühne“-Herausgeber Thomas Fasbender verfasst hat.
Über ihn steht außerdem in der Wikipedia:
Von 2019 bis zum russischen Überfall auf die Ukraine 2022 schrieb und sprach Fasbender für den staatlichen russischen Propagandasender RT DE einen wöchentlichen Kommentar Fasbenders Woche. (…)
Fasbender ist seit 2023 Mitarbeiter der Berliner Zeitung. Davor schrieb er u. a. für die Schweizer Wochenzeitung Weltwoche, Cato, Junge Freiheit und Russlandkontrovers.
Bei diesen Referenzen liegt es auf den ersten Blick nicht sehr nahe, das Erbe einer links-intellektuellen Wochenschrift anzutreten. Doch die Herausgeber der neuen „Weltbühne“ versichern uns, dass recht und links ohnehin „keinen Unterschied“ macht: „das Streben in den schützenden Kokon, in die gute alte Zeit, charakterisiert sämtliche Lager“.
Das alles klingt irgendwie nach Querfront-Geschwurbel. Um es mit den Worten Hanfelds zu sagen, der vor allem die umstrittenen Anschuldigungen Deborah Feldmans gegen den Herausgeber der Jüdischen Allgemeine kritisiert:
Mit Journalismus hat das nichts zu tun. An dieser „Weltbühne“ hätten Tucholsky und von Ossietzky keine Freude.
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