26.10.2009

Tucholsky-Preis an Volker Weidermann verliehen

Zum Abschluss der diesjährigen Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft zum Thema Anti-Faschismus hat der Literaturkritiker und Journalist Volker Weidermann den Tucholsky-Preis für literarische Publizistik erhalten. Anders als in früheren Jahren hatte die Tucholsky-Gesellschaft dazu nicht ins Deutsche Theater, sondern ins Haus der Demokratie und Menschenrechte geladen. Trotz widriger Akustik sei die Veranstaltung »auf gewohntem Niveau« gewesen, sagte Jens Brüning in seinem Resümee im Deutschlandradio Kultur (nachzuhören als podcast).

In seiner Laudatio ging Weidermanns Verleger Helge Malchow (Kiepenheuer & Witsch) auf die Debatte ein, die der Preisträger durch seine Literaturgeschichte Lichtjahre angestoßen habe. Weidermann sei sowohl »Gnostiker« als auch »Emphatiker«, sagte Malchow in Replik auf einen Beitrag von Hubert Winkels in der Zeit.



Tucholsky-Preisträger Weidermann

Weidermann, der den Preis für sein Buch der verbrannten Bücher verliehen bekam, verwies in seiner Dankesrede darauf, dass er die rund 500 Rezensionen des »fantastischen Literaturkritikers« Tucholsky immer wieder mit Begeisterung lese. »Was heute modern sein könnte, das kann man lernen in Texten, die vor 80 Jahren erschienen sind», sagte Weidermann.

Lernen kann man von den Autoren der Weltbühne aber nicht nur das Schreiben von Buchkritiken. Das ging auch aus den Beiträgen der diesjährigen Tagung hervor, die sich mit dem Kampf der linksintellektuellen Schriftsteller und Journalisten gegen den aufkommenden Nationalsozialismus befassten. Laut Neuem Deutschland drehte es sich dabei auch um die Frage:

War die Weltbühne in ihrer Auseinandersetzung mit der NSDAP mutig und vorausschauend?

Was das Vorausschauen betrifft, so sind im Falle des vom ND erwähnten Ossietzkys in der Tat einige Zweifel angebracht (und auch im Laufe der Nachkriegsgeschichte schon häufig geäußert worden). Dass die Weltbühne-Autoren mutig waren, steht aber nicht zur Disposition. Einer anderslautenden Behauptung würde deren angeblicher Urheber auch entschieden widersprechen. Was hiermit geschehen sei.

21.10.2009

Neues Herzstück bezahlt

Vor einigen Monaten hatte das Rheinsberger Tucholsky-Museum um Spenden für ein sehr seltenes Buchexemplar geworben: ein Widmungsexemplar des Büchleins Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte von Kurt Tucholsky an seine spätere Frau Else Weil. Nun hat Museumsleiter Peter Böthig den Erfolg der Aktion bekanntgegeben. Laut Märkischer Allgemeiner teilte er mit,

dass die Spenden zusammen mit Fördermitteln aus dem Wissenschaftsministerium und der Staatskanzlei nun ausreichen, um das Darlehen für den Kauf zurückzuzahlen. Böthig dankte den Spendern und lud sie zur Langen Nacht der Künste am 7. November ein. Dort will er das Buch bei der Langen Nacht erstmals der Öffentlichkeit präsentieren.

Damit hat Böthig die 10.000 Euro zusammen, die das Buch im Besitz eines privaten Sammlers kosten sollte. Und das Museum in der Tat ein faszinierendes Exponat mehr, dass laut Böthig »Herzstück einer Ausstellung zu Tucholskys 75. Todestag« werden soll.

15.10.2009

Mit Tucholsky nach Jamaika

Kurt Tucholsky war nie auf Jamaika. Das hat den saarländischen Grünen-Vorsitzenden Hubert Ulrich am vergangenen Wochenende aber nicht davon abgehalten, die Bildung einer »Jamaika«-Koalition mit CDU und FDP gewissermaßen mit Tucholsky zu begründen. Einem Bericht der Welt zufolge sagte Ulrich auf dem Parteitag in Saarlouis:

Vor zwei Jahren lief eine der damals drei grünen Abgeordneten, Barbara Spaniol, zu den Linken über und nahm ihr Mandat einfach mit. Das hat Ulrich nicht verziehen, ebenso wenig wie Lafontaines Lieblingsspruch im Wahlkampf: „Wer grün wählt, wird sich schwarzärgern.“ Jetzt hielt Ulrich mit einem Tucholsky-Zitat dagegen: Niemand solle sich so erniedrigen, dass er den Kakao, durch den er gezogen wurde, auch noch austrinkt.

Nun gibt es in Deutschland normale und sogenannte Qualitätsmedien. Von letzteren ist natürlich zu erwarten, dass sie Behauptungen von Politikern nicht einfach übernehmen, sondern deren Wahrheitsgehalt auch überprüfen.

Da darf es nicht verwundern, dass in der Süddeutschen Zeitung über dieselbe Äußerung Ulrichs zu lesen war:

Dann kam in diesem Sommer der Landtagswahlkampf, in dem Lafontaine verkündete, er wolle die Grünen aus dem Landtag kegeln. »Er hat versucht, uns ganz tief durch den Kakao zu ziehen«, sagt Ulrich, und man hört an seiner Stimme, wie frisch die Wunde noch ist. Dann zitiert er angeblich Kurt Tucholsky: Man solle nie so tief sinken und den Kakao, durch den man gezogen wurde, auch noch trinken. Dabei ist das Zitat in Wirklichkeit von Erich Kästner.

Nun gibt es in Deutschland neben normalen Blogs auch richtige Qualitätsblogs. Von letzteren wäre natürlich zu erwarten, dass sie die Behauptungen von Medien nicht einfach übernehmen, sondern deren Wahrheitsgehalt auch überprüfen. Schließlich finden sich im Internet auch viele Seiten, auf denen behauptet wird, das angebliche Tucholsky- und mögliche Kästner-Zitat stamme von Heinz Erhard.

Doch in diesem Fall kann man sich mal wieder auf die SZ verlassen. Kästner veröffentlichte den Vers am 5. August 1930 in der Weltbühne. Als Beginn des folgenden Gedichts:

Aktuelle Albumverse

I
Was auch immer geschieht:
Nie dürft ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken!

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