12.2.2005

Satz des Anstoßes

Kaum zehn Jahre ist es her, dass das Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ sogar das Bundesverfassungsgericht beschäftigte. Es gibt aber noch eine andere militärkritische Aussage Tucholskys, die in der Vergangenheit immer wieder die Gemüter bewegte. Auch in diesem Jahr kocht die entsprechende Debatte wieder hoch. Allerdings nicht auf nationaler Ebene, sondern in der Donaustadt Ulm, wie die „Stuttgarter Zeitung“ am Freitag berichtete.

Stein des Anstoßes ist ein Denkmal gleichen Namens, das den Deserteuren des Zweiten Weltkrieges gewidmet ist. Schon 1989 wurde die Stahlskulptur geschaffen. Aber die Ulmer Stadtoberen trauen sich bis heute nicht, das Denkmal im öffentlichen Raum aufzustellen.
Was das alles mit Tucholsky zu tun hat? Das Denkmal geht gewissermaßen auf seine Anregung zurück. Ausgesprochen in einem Text, in dem er sich gegen den französischen Brauch wandte, an den Häusern kleine Tafeln zur Erinnerung an gefallene Soldaten anzubringen. Seine Schlussfolgerung lautete damals:

Uns fehlen andre Tafeln. Uns fehlt diese eine:

Hier lebte ein Mann, der sich geweigert hat,
auf seine Mitmenschen zu schießen.
Ehre seinem Andenken!

Ignaz Wrobel: „Die Tafeln“, in: Die Weltbühne, 21.4.1925, S. 601

Die von Tucholsky vorgeschlagene Tafelinschrift hat die Künstlerin Hannah Stütz-Mentzel an der Skulptur angebracht.
Nach Angaben der „Stuttgarter Zeitung“ stehen aber auch in diesem Jahr die Chancen schlecht, dass das Denkmal aufgestellt wird. Selbst der 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus sei nicht Anlass genug.

Die Stadtverwaltung ist nicht bereit, eine Baugenehmigung für den „Stein des Anstoßes“ auch nur im Gemeinderat beraten zu lassen. Tabuisiert sei das Thema der Kriegsdienstverweigerung in Ulm immer noch, wettern darum Aktivisten.

Aber Tucholsky hat wohlweislich nicht gefordert, dass „diese eine“ Tafel in der ehemaligen Bundesfestung Ulm hängen muss.

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