25.1.2005

Sportler sind Mörder

Was von den Überschriften der „Frankfurter Rundschau“ gilt, hat die Literaturkritikerin Sigrid Löffler auch einmal von der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek behauptet: Sie widerstehe allem, „nur nicht der Versuchung zum Kalauer“. Das schreibt zumindest die „Rundschau“ in einer Kritik über die Inszenierung von Jelineks „Sportstück“ in Kassel. Gleich zu Beginn stellt Joachim F. Tornau darin eine interessante Gleichung auf:

Churchill plus Tucholsky gleich Jelinek. „Sport ist Mord“, verkündete der britische Premier. „Soldaten sind Mörder“, wusste der (un)deutsche Satiriker. Häkelt man beides zusammen, bekommt man Ein Sportstück der österreichischen Schriftstellerin und Literatur-Nobelpreisträgerin des Jahres 2004. „Sportler sind wie Soldaten“, lässt Elfriede Jelinek irgendwo in ihrer fast 190 Seiten starken Abrechnung mit Sport, Krieg, Massen und Familie sagen. „Ein jeder legt sein bestes ins Trikot.“ Quod erat demonstrandum. Was zu beweisen war: Churchill plus Tucholsky gleich Jelinek. Natürlich: Den klassischen Zitatenschatz zu plündern und die Beute zu Pseudo-Gleichungen zu verwursten, ist – hoch lebe die Dialektik – so überspitzt wie platt.

Dabei hätte sich Jelinek, oder auch Tornau, überhaupt nicht auf solch arithmetischen Übungen einlassen müssen. Dass Sport eine Vorübung zum Krieg sein kann, hat Tucholsky nie anders gesehen. Selbst beim Anblick der „Tour de France“ kamen ihm wenig schöne Hintergedanken:

Der Mensch ist ein Säugetier und benötigt zum Leben Nahrung, Luft und Wasser. Damit ist ihm aber noch nicht alles gegeben. Auf daß ihm wohl sei, braucht er: den Betrieb. Einen schönen, vollen, runden, bewegten Betrieb mit allem, was dazugehört: Organisation, Gruppen, Kollektivehre, Kampf, Platz und Sieg. Über diesen Betrieb vergißt er mitunter den Zweck des Rummels – und wer das zu benutzen versteht, der kann mit ihm alles, alles unternehmen, was er nur will.
Sogar Kriege.
Peter Panter: „Tour de France“, in: Die Weltbühne, 13.07.1926, S. 65

Eine gewisse Unsportlichkeit scheint Tucholsky allerdings mit Winston Churchill gemein gehabt zu haben:

Er hat mir nichts gegeben – er hat mir nichts genommen – der Name des Sports sei gelobt.
Peter Panter, „Der Geistige und der Sport“, in: Vossische Zeitung, 25.12.1928, S.1

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