3.8.2007

Déjà-vu in Berlin-Mitte

Manchmal kann es passieren, dass einem Dinge, die man schon mal irgendwo in einem Buch gesehen hat, ganz unvermutet in der Realität begegnen. Eher selten geschieht dies wohl mit Dingen aus Büchern, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben, so zum Beispiel Tucholskys Deutschland, Deutschland über alles, erschienen 1929. Darin wird auf Seite 52 gefragt: „Wo steckt Deutschlands Geld?“ Und neben Bildern von Soldaten in Manövern, Panzerattrappen, einem reich gedeckten Tisch und einer Luxus-Boutique ist auf Seite 54 auch folgendes Gebäude zu sehen:

In der Tucholsky-Gesamtausgabe wird der Ort der Aufnahme nicht genannt, da er für das Verständnis des Textes auch nicht von Bedeutung ist.

Fährt man jedoch 80 Jahre später in Berlin-Mitte durch die Französische Straße in Richtung Mauerstraße, muss man einen auffälligen Bogen unterqueren:


Wo immer Deutschlands Geld heutzutage stecken mag, in der Berliner Mauerstraße offenbar nicht mehr. Die Gebäude rechts und links des Bogens gehören übrigens zum Bundeslandwirtschaftsministerium.

In der Gegend Unter den Linden / Behrenstraße fanden sich vor dem Kriege dagegen noch viele repräsentative Bankgebäude, unter anderem die Zentrale der Deutschen Bank. Dass darin wirklich Geld gesteckt haben muss, zeigt ein Text aus der Weltbühne von 1922:

Unter den Schilderungen, die die ausländische Presse in reichlichem Maße von Berlin entwirft, nehmen die Bankbauten unter den Linden und in der Behren-Straße stets einen hervorragenden Platz ein. Man kann es den Fremden nicht verdenken, wenn ihnen beim Anblick dieser Pracht- und Monstrebauten leise Zweifel an der deutschen Not kommen.
Morus: „Schiffe, Preise, Banken“, in: „Die Weltbühne“, 20.11.1922, S. 580

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