21.1.2006

Gesunde Terminologie

Wie das „Hamburger Abendblatt“ berichtet, kränkelt das Norderstädter Kabarett „Die Thespisnarren“ derzeit „Zwischen Muskelzittern und Herzflattern“.

Mit Hilfe von Kurt Tucholsky, Erich Kästner und anderen brillanten Kabarett-Schreibern wird das Publikum im wahrsten Wortsinn herzhaft untersucht, durchgewalkt, für zu leicht oder zu schwer befunden.

Aufgrund seiner jahrelangen Nasenbeschwerden und diverser anderer Krankheiten machte Tucholsky, zweifellos ein Hypochonder, reichlich Erfahrungen mit der damaligen Medizin. Eher humorvoll schilderte er diese Erlebnisse in dem Text „Der kranke Zeisig“, wobei er mit kräftigen Seitenhieben gegen „die Herrn Professoren“ nicht sparte:

Der Professor: Der Laie überschätzt naturgemäß diese Symptome, die – verstehen Sie mich recht – eigentlich gar keine Symptome sind. Für mich sind diese Dinge, von denen Sie mir da erzählen, Folgeerscheinungen; es ist wichtig, daß Sie sich das immer vor Augen halten: Folgeerscheinungen. Sie bleiben in Berlin? Ich werde Sie behandeln; schlagen Sie sich den Gedanken aus dem Kopf, mit aller Gewalt gesund zu werden – das ist nicht der Zweck der Medizin. Die Medizin ist eine Wissenschaft, also der Mißbrauch einer zu diesem Zweck erfundenen Terminologie. Laien verspüren leicht Schmerzen: das ist völlig irrelevant. Es handelt sich nicht darum, den Schmerz zu beseitigen – es handelt sich darum, ihn in eine Kategorie zu bringen!

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