28.1.2006

Hunde in der Großstadt

Die Berlin-Korrespondentin des „Wiesbadener Kuriers“, Antje Schmelcher, hat sich auf recht humorvolle Weise mit dem Verhältnis der Hauptstädter zu ihren vierbeinigen Freunden auseinandergesetzt. „Wie heilige Kühe dürfen Berliner Hunde überall und jederzeit ihre Exkremente hinterlassen“, heißt es in „Warum die Hauptstadt auf den Hund gekommen ist“ zutreffend. Schmelcher schrieb nicht nur feinsinnige Beobachtungen aus jahrelanger Erfahrung auf („meine Tochter konnte zuerst bellen und dann erst sprechen“). Nein, sie beschäftigte sich auch mit Berlins hündischer Vergangenheit und deren literarischer Aufbereitung.

Aber was sagten eigentlich Berlins berühmte Flaneure über die Hunde? Von Kästner bis Tucholsky taucht in keiner Polemik ein Hund auf.

Was Tucholsky betrifft, ist diese Behauptung schlicht unzutreffend. Als bekennender Hundehasser ließ er kaum eine Gelegenheit aus, über „unsere gefiederten Lieblinge“ herzuziehen. Schrieb er 1922 zwar noch „Nein, ich hasse den Hund gar nicht“ und machte sich in „Der Hund als Untergebener“ eher über die „bestimmte Gattung Mensch, die ihn behandelt wie ein Brigadekommandeur die unterstellte Formation“ lustig, beschwerte er sich in späteren Texten heftig über das unablässige, sinnlose Gebelle. „Wenn einen nicht das Sinnloseste stört, das es auf Gottes Erdboden gibt: Hundegebell“, heißt es in „Französische Provinz“ (1927). Kurz nach seinem Umzug in den Pariser Vorort Le Vesinet klagte er:

Die im Prospekt garantierte ff. Morgenstille ist nicht geliefert worden. (…) Es hört sich an, als ob sich die Rotte Korah meilenweit mit einemmal übergäbe – wenn morgens die Lieferanten an den Häusern klingeln, steht der ganze Horizont in Flammen. Sie reißen an den Stricken, sie springen gegen die Gitter, sie flöhen sich, belfern, quietschen, jaulen, in den Triefaugen Treue zum Futternapf und zum angestammten Herrscherhause, durchaus konservativ und gegen die landfremden Elemente.

Zu Klassikern für Hundehasser gerieten die Feuilletons „Zwei Lärme“ und der berühmte „Traktat über den Hund, sowie über Lerm und Geräusch“ mit seinen Abschnitten 1. Scherz, 2. Satire und 3. Ironie und tiefere Bedeutung. Deren Quintessenz lautet in einem Satz zusammengefasst:

Hundebesitzer sind die rücksichtslosesten Menschen auf der Welt.

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