2.1.2006

Urheberrecht und Realität

Der „taz“ ist es an diesem Montag auf elegante Weise gelungen, die versäumte Würdigung von Tucholskys 70. Todestag nachzuholen. Mehr als eine Seite räumt sie in ihrem Feuilleton frei, um den Text „Presse und Realität“ abzudrucken, „dessen Gehalt uns auch heute noch – über 70 Jahre nach dem Tod des Autors – durchaus aktuell erscheinen will“.


Dem Artikel sind erläuternde Bemerkungen an die Seite gestellt, die einige zutreffende Behauptungen enthalten, aber auch etliche Fehler und Merkwürdigkeiten. Zum Beispiel:

„Macht die Bücher billiger“, lautete einer seiner bekanntesten Forderungen. „Druckt Tucholsky umsonst!“ ist so etwas wie ein verspätetes Echo darauf. Es ist unschwer abzusehen, dass sich einige Verlage darauf einrichten werden: Von diesem Jahr an wird es viele Ausgaben seiner Schriften geben.

Hallo!? Sind diese 681 Ausgaben von/über Tucholsky etwa wenige? Zu korrigieren bliebe ebenfalls, dass Tucholsky nicht am 23., sondern am 21. Dezember 1935 gestorben ist. Außerdem floh er nicht vor den Nazis nach Schweden, sondern bereits 1924 vor den Deutschen nach Paris. Dass Peter Panter ohne H geschrieben wird, kann aber jeder mal übersehen.

Etwas verwirrend ist auch die Behauptung, wonach nun jeder Tucholsky nachdrucken dürfe, – mit der Einschränkung: „zumindest in den ursprünglichen, nicht noch einmal nachträglich etwa von einem Herausgeber bearbeiteten Fassungen“. Damit meint die „taz“ vermutlich den Editionsschutz von 25 Jahren, der auf nicht vom Urheber erstellte Sammelwerke gilt. So dürfen die von Tucholsky editierten Sammelbände wie „Mit 5 PS“ nun nachgedruckt werden, während die Ergänzungsbände der „Gesammelten Werke“ noch rechtlich geschützt sind. Dass ein Herausgeber aber Tucholskys Originaltexte bearbeitet hat, dürfte sehr selten geschehen sein. Und wenn, dann möchte man dies eher ungern lesen.

Nachtrag 3.1.2006: Die „taz“ sieht sich bemüßigt, einen Fehler ihres Textes zu berichtigen. Doch keinen der genannten inhaltlichen. Nein, man bedauert lediglich, das Wort Pseudonym „mit dem männlichen Genus“ verknüpft zu haben. Dann hätte man auch so konsequent sein können und darauf hinweisen, dass „die Forderung“ weiblichen Geschlechts ist und es nicht „einer seiner bekanntesten Forderungen“ heißt.

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