29.4.2009

Google fürs Herz

Wenn es noch eines Beispiels bedurft hätte, um den Erfolg von Google-Anzeigen zu erklären, dann liefert ihn folgende Tucholsky-Seite.


Dass es im Zusammenhang mit Arnolt Bronnens Oberschlesien-Roman O.S. gar nicht so abwegig ist, den geneigten Leser auf nicht-literarische Gedanken zu bringen, zeigt eine Passage aus Tucholskys Rezension:

Ich muß gestehn, seit langem nichts so Unappetitliches gelesen zu haben wie dies Kapitel, das in gar keiner Beziehung zum sonstigen Inhalt steht – man fühlt förmlich, wie sich der Dichter gesagt hat: Ja, und nun mußt du den Freikorpslesern doch noch was fürs Herz bieten. Fürs Herz …? so hoch gehen seine Aspirationen gar nicht. Es wird da ein trübes Feuerwerk der Schmutzerei abgebrannt, aber was dieser von allen guten Geistern verlassene Patriotenclown nicht weiß: es gehört Kraft dazu, so etwas zu schreiben. Um eine erotische Situation bis in die medizinischen Einzelheiten zu gestalten, muß man die Stärke etwa von James Joyce besitzen, was aber Bronnen gemacht hat, ist blanke Pornographie. Wenn dies Literatur ist, dann ist das Tagebuch der Josefine Mutzenbacher ganz ausgezeichnete Literatur.

Da stehen Google ja noch einige Werbemöglichkeiten offen.

Vielen Dank an Jutta P. für den Hinweis.

25.2.2009

Zwanziger gegen Zwanziger

Es ist zwar ein wenig off topic, aber sicher im Sinne Tucholskys, der sich in den zwanziger (sic) Jahren in der Roten Hilfe für den juristischen Beistand in Prozessen engagierte und sich stets für die Presse- und Meinungsfreiheit eingesetzt hat.

Im konkreten Falle geht es um den Rechtsstreit des DFB-Präsidenten Theo Zwanziger gegen den Journalisten Jens Weinreich. Dem DFB passt es nicht, dass Weinreich in seinem Blog Zwanziger als einen »unglaublichen Demagogen« bezeichnet hat. Inzwischen gibt es mehrere Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Äußerung und einer Pressemitteilung des DFB. Dies erläutert Weinreich in diesem Blog-Beitrag, in dem er außerdem um finanzielle Unterstützung bittet, damit er die Prozesse weiterführen kann. Zwanziger gegen Zwanziger lautet inzwischen das Motto der Unterstützungskampagne. Oder auch: Blaue Hilfe für Weinreich.

30.1.2006

Ätsch, so wird man Journalist

Ein höchst interessantes Interview findet sich heute auf den Telepolis-Seiten. Darin äußert sich Gundolf Freyermuth, Netz-Autor und Dozent an der Internationalen Filmschule Köln, so ziemlich über alles, was man zu Internet und Journalismus einmal loswerden möchte. Über einige Umwege kommt er in „Ritter von der strahlenden Gestalt“ auch auf das Thema Journalistenausbildung zu sprechen. Der Antwort merkt man jedoch an, dass Freyermuth eine solche Ausbildung offenbar nie genossen hat:

Der Beruf des Journalisten war einer derjenigen, die sich am spätesten professionalisiert haben. Die journalistische Ausbildung gab es erst nach dem zweiten Weltkrieg. Ich betrachte diese Professionalisierung durchaus mit ambivalenten Gefühlen. Solange eine gewisse Offenheit besteht, hat eine Vielzahl interessanter Charaktere die Möglichkeit, sich zu entfalten. Verhärten sich die Verhältnisse, gibt es klare Ausbildungen, schließt man eine Vielzahl aus. Hätte Karl Kraus je eine Journalistenschule überstanden? Wäre Tucholsky durch einen Publizistikstudiengang gekommen?

Hm –, wahrlich provozierende Fragen. Denn: welche Vorstellungen hat Freyermuth von den Zuständen an Journalistenschulen? Wie genial muss man seiner Meinung nach sein, um Publizistik zu studieren? Und wer studiert überhaupt Publizistik, um Journalist werden zu wollen?

Zum Glück ist es eher so, dass die Journalistenschulen eine sehr praxisnahe Ausbildung bieten wollen. Erfahrene Journalisten versuchen als Dozenten das umzusetzen, was Tucholsky schon 1928 von den Redakteurskollegen forderte, – zum Beispiel in dem Text „Journalistischer Nachwuchs“. Darin kritisierte er eine geplante Akademisierung der journalistischen Ausbildung und schlug vor, den Nachwuchs besser in der Praxis zu betreuen:

Das Gros der Redakteure liest Arbeiten wie Schulaufsätze; und zensiert sie. Ja – oder Nein: darüber hinaus gehts selten. Daß sich der Redakteur, der immer überlastet ist, mit seinen Leuten wirklich beschäftigt, ihnen die Unarten austreibt, ihnen nicht nur sagt, wie man es nicht machen darf, sondern anschaulich erzählt, wie man es machen solle. So züchtet man Nachwuchs.

Die Absurdität der Debatte, ob nur examinierte Akademiker Journalisten werden sollen, wird auch an der Frage deutlich, ob Carl von Ossietzky „durch einen Publizistikstudiengang gekommen“ wäre. Mit Sicherheit nicht, denn er schaffte nicht einmal den Realschulabschluss. Noch schärfer als Dr. iur. Kurt Tucholsky reagierte er daher auf Vorschläge, die journalistische Ausbildung zu akademisieren:

Zeitungsschreiber und Professoren, zwischen ihnen liegt, wenn nicht eine Welt, so doch eine Kenntnis von dieser Welt. Eine Kenntnis, die nicht aus Büchern zu holen ist. Der Journalismus ist der einzige loser oder enger mit dem Geiste zusammenhängende Beruf auf Gottes Erde, der nicht in das Prokrustesbett des Examens zu spannen ist. Die Tüchtigkeit, die Eignung entscheidet. Man kann ein fürchterlich viel wissender Jurist sein und doch ein untauglicher Richter oder Advokat. Man kann als Doktor der Medizin durch alle Prüfungen gerutscht sein, mit Auszeichnung sogar, und wird später doch nur die Friedhöfe bevölkern. Der Journalist beginnt ohne die trügerischen Vorschußlorbeeren des Examens. Er muß sich bewähren oder…
Grund genug für die Herren Professoren, einem Beruf von so abgründig verruchten Möglichkeiten zu mißtrauen. Die Zeitung von heute ist, darüber brauchen wir kein Wort zu verlieren, kaum eine moralische Anstalt zu nennen. Aber sie hat den Universitäten von gestern und heute noch immer ein gewisses Maß Intelligenz voraus. Und wenn eines Nachts in unser Redaktionszimmer – die Metteure schreien nach Manuskript, am andern Ende der Strippe rasen Timbuktu und Samarkand, dazwischen werden Schauspielerinnen gelobt und Minister beschimpft – wenn also plötzlich der Herr Magister eintreten würde und uns mit hochgeschwundenem Pädagogenfinger auf das Unzulässige unseres Tuns hinweisen wollte, wir hätten nur eine Antwort:
„Ätsch…!“
Carl von Ossietzky: „Professoren, Zeitungsschreiber und verkrachte Existenzen“, in: Das Tagebuch, 31. Januar 1925

30.1.2005

Völlig GaGa

Da am 21. Dezember 2005, dem 70. Todestag von Kurt Tucholsky, die Urheberrechte an seinem Werk erlöschen, ist das Projekt Gutenberg bestrebt, zu diesem Datum digitale Versionen von Tucholsky-Texten bereitstellen zu können. Um Texte schnell und kostengünstig zu digitalisieren, hat das Projekt Gutenberg die Website „www.gaga.net“ eingerichtet, – wobei GaGa für „Gemeinsam an Gutenberg arbeiten“ steht. Bei GaGa geht es darum, eingescannte Texte am Bildschirm Korrektur zu lesen und auf diese Weise zuverlässige digitale Literaturversionen zu erstellen. Von Tucholsky befinden sich derzeit drei Sammelwerke mit insgesamt 1064 Seiten in der ersten Bearbeitungsstufe.
Auch wenn das Projekt GaGa sehr sinnvoll erscheint: Wesentlich sinnvoller wäre es, von Tucholsky ein ähnliches Internetangebot zu erstellen, wie es beispielsweise das Heinrich-Heine-Portal liefert. Dessen Ziel ist es:

Werke und Briefe sowie Dokumente zu Leben, Werk und Wirkung Heines auf der Basis moderner Standards zur anwendungsneutralen Datenkodierung (SGML/XML) erfassen und als integriertes digitales Informationssystem frei im Internet zugänglich machen.

Und es ist auch nicht so, dass Tucholsky-Texte überhaupt digitalisiert werden müssten. Schließlich gibt es seit 1999 bereits die von Direct Media publizierte Tucholsky-CD als Band 15 der Digitalen Bibliothek. Derzeit ist diese CD aber nicht lieferbar. Das hat vermutlich auch etwas damit zu tun, dass in ein paar Monaten gewisse Urheberrechte ablaufen.

29.1.2005

Dann doch

Nach einer zweiten Diskussionsrunde ist bei der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia der Artikel über Kurt Tucholsky zu den exzellenten Artikeln gezählt worden. Die Diskussion drehte sich dieses Mal im wesentlichen um die Frage, ob das dort verwendete Foto tatsächlich den Kriterien von Gemeinfreiheit genügt. Zwar konnte diese Frage nicht hundertprozentig geklärt werden, aber das scheint bei Wikipedia-Fotos häufiger der Fall zu sein.

10.1.2005

Exzellente Diskussionen

Bei der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia läuft zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten eine Diskussion darüber, ob der Artikel über Kurt Tucholsky zu den exzellenten Artikeln gezählt werden soll. Die frühere Diskussion ist inzwischen länger als der Artikel selbst, an der neuen Abstimmung kann man sich hier beteiligen. Die Abstimmung endet am 29. Januar 2005.

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