22.2.2005

Schwer lustig

Montserrat Mönkmeyer alias Ilka Hein und Igor Meckenheimer alias Sebastian Undisz touren derzeit mit einem Kabarett-Programm durch Sachsen-Anhalt. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ hat sich einen Auftritt angesehen und weiß einiges davon zu berichten:

Sie vermischen das Ganze mit populären Schlagerschmonzetten in neuem Text-Gewande, zu denen sich noch einige Spritzer lyrisch-satirischen Kulturgutes aus der Feder unter anderem von Christian von Aster gesellen. Ihr Programm orientiert sich so auch am Wort eines großen Schriftstellers und feinsinnigen Humoristen: „Dick sein ist keine physiologische Eigenschaft – das ist eine Weltanschauung“ hat Kurt Tucholsky einst festgestellt.

Welche besondere Welt- und Humoranschauung aber in einem Programm mit dem Titel „Ich wär so gern ein Sexappeal – die schwere Kunst der drallen Diva“ steckt, muss jeder Zuschauer wohl selbst herausfinden.

21.2.2005

Preiswürdiges Bühnenbild

Für ihr Bühnenbild zu einer „Rheinsberg“-Inszenierung haben Studenten der Berliner Technischen Universität (TU) fünf Preise erhalten. Vergeben wurden die Auszeichnungen von der TU und dem Carrousel-Theater, wo das Stück am 24. Mai dieses Jahres zum ersten Mal aufgeführt wird. Wie die „Berliner Morgenpost“ weiter berichtet, nahmen Studenten des Masterstudiengangs Bühnenbild an dem Wettbewerb teil. Den ersten Preis habe José Eduardo Luna Zankoff erhalten.

Auf Wiedersehen in Karlsruhe

In seinem Buch „Der Gang nach Karlsruhe“ hat der emeritierte Jura-Professor Uwe Wesel das Wirken des Bundesverfassungsgerichtes seit seiner Errichtung beschrieben. Da Wesel am Dienstag, den 22. Februar, in Berlin aus seinem Buch lesen wird, hat die „taz“ in ihrer Ankündigung einige wichtige Entscheidungen des Gerichts resümiert:

Die Kontroverse um die Wiederbewaffnung Deutschlands 1952 war die erste große Krise des Gerichtes. Die nächste folgte 1994: Mehrere Beschlüsse wie zum Beispiel die strafrechtliche Nichtverfolgung von Besitzern kleiner Mengen Haschisch für den Eigengebrauch oder ungestraftes Zitieren des Tucholsky-Spruches „Soldaten sind Mörder“ wurden heftig diskutiert.

Da die „taz“ leider vergessen hat, Ort und Uhrzeit der Veranstaltung zu nennen, sei hier kurz nachgetragen, dass Wesel um 20:15 Uhr in Lehmanns Fachbuchhandlung in der Hardenbergstraße 5, Berlin – Charlottenburg, liest.

18.2.2005

Ein bisschen Tamerlan

„Mir ist heut so nach Tamerlan, nach Tamerlan zumut, ein kleines bisschen Tamerlan, ach Tamerlan, wär gut“, dichtete Theobald Tiger 1922 für das Berliner Kabarett von Rudolf Nelson. Auch der „Welt“ war heute nach dem türkisch-mongolischen Gewaltherrscher zumute, denn Timur Lenk, wie er eigentlich hieß, ist vor genau sechshundert Jahren gestorben.

Wer diese Leute waren, die sich schon Anfang der zwanziger Jahre einen kleinen Diktator wünschten, schrieb Tucholsky in seinem eigenen Nachruf:

„Mir ist heut so nach Tamerlan!“

Das war eines jener zahllosen Chansons des Verstorbenen, angefertigt für die Kreise, die er so zu verachten vorgab; mit der einen Hand kritisierte er sie, mit der andern zapfte er ihnen den Sekt ab. Er war eben eine problematische Natur …
Ignaz Wrobel: „Requiem“, in: Die Weltbühne, 21.6.1923, S. 728

Dass diesen Kreisen tatsächlich nach einem „starken Mann“ zumute war, sollte sich gegen Ende der Weimarer Republik immer deutlicher herausstellen. Und dass es „ein kleines bisschen Tamerlan“ – ein kleines bisschen Diktatur – eben nicht gibt, leider auch.

17.2.2005

Gefühlt, gedichtet, gebloggt

Der Valentinstag ist noch eine recht neue Errungenschaft der deutschen Blumen- und Schokoladenindustrie, aber so langsam scheint er auch von der Kleinkunst entdeckt zu werden. Darauf deutet zumindest der Bericht der „Frankfurter Neuen Presse“ über einen Liebeslyrikabend in Usingen hin. Von einer gewissen „Kerstin Halla, 37 Jahre alt, aus Oberursel über den Taunuskamm gekommen“ sei dort den Zuhörern ein „ein bunter Kanon an Liebesgedichten und -geschichten dargeboten“ worden. Steckte von Tucholsky etwa auch etwas in diesem Strauß?

Bei der Vorbereitung zu dieser Lesung, so Kerstin Halla, habe sie diverse Quellen – auch das Internet – benutzt und sei dabei auf die verschiedensten Autoren gestoßen. Auf Klassiker natürlich, wie Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin, Novalis (Friedrich von Hardenberg) oder Joseph von Eichendorff. Neben diesen Großen der Romantik habe sie sich aber auch für Autoren entschieden, die mitnichten der gefühlsbetonten Lyrik zugeschrieben werden: Kurt Tucholsky etwa («Schloss Gripsholm»), 1935 im schwedischen Exil durch eigene Hand aus dem Leben geschieden (…)

Ja, das Internet. Unendliche Weiten. Dort kann man die erstaunlichsten Dinge finden, wie Frau Halla feststellen musste:

Aber auch unbekannte Verfasser, die ihre Gedichte einfach frei ins Internet stellen und in so genannte digitale Tagebücher («Weblogs») schreiben, habe sie aufgespürt.

Wie schön, dass es tatsächlich Menschen gibt, die anderer Leute Weblogs lesen.

16.2.2005

Berlinernde Verwandtschaft

Der Aufforderung Tucholskys, nie etwas mit der Verwandtschaft anzufangen, dürfte im Falle Peter Bohleys nicht so leicht zu folgen sein. Hat der aus Halle stammende Naturwissenschaftler und Schwager Bärbel Bohleys doch alleine sechs Brüder. „Sieben Brüder auf einer fliegenden Schildkröte“ laute daher auch der Titel von Bohleys Lebenserinnerungen, wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ in dem gleichnamigen Artikel zu berichten weiß.

Mit Erstaunen lässt sich in dem eigentlich interessanten Text feststellen, zu welchen Wandlungen Zitate bisweilen fähig sind:

Man denkt bei der Lektüre auch an den schönen Doppelsinn des Wortes „Familienbande“ und daran, dass Tucholsky sagte: „Schere dir nich‘ um die Verwandtschaft / Kieke lieber in die Landschaft“.

Ein sehr souveräner Umgang mit dem Original, wie ein Vergleich zeigt:

Fang nie
was mit Verwandtschaft an -!
Denn das geht schief, denn das geht schief!
Sieh dir lieber ’ne fremde Landschaft an –
Die Familie wird gleich so massiv!
Peter Panter: „Das Fotografie-Album“, in: Das Stachelschwein, 14.02.1925, S. 4-12.

Und diese durchaus kreative Leistung ist leider ein schlagender Beweis für eine andere Feststellung Tucholskys:

Bevor ich berlinere, überlege ich es mir dreimal, und zweimal tue ichs nicht.
Peter Panter; „Ein besserer Herr“, in: Die Weltbühne, 25.06.1929, Nr. 26, S. 935ff.

15.2.2005

Die Freiheit, die ich meine

Wenn der Frankfurter Richter Heinrich Gehrke aus seinem Berufsleben erzählt, darf ein Hinweis auf einen aufsehenerregenden Fall von 1989 nicht fehlen. Damals hatte Gehrke entschieden, dass das Zitieren des Tucholsky-Satzes „Soldaten sind Mörder“ von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Drohbriefe an den Richter folgten. Vor wenigen Tagen hat Gehrke, inzwischen pensioniert, sich noch einmal an diese Zeit erinnert. Die „Frankfurter Neue Presse“ war dabei:

Und nicht selten geriet er in der Öffentlichkeit selbst in die Rolle des Angeklagten. So auch beim so genannten Soldatenurteil vor mittlerweile genau 16 Jahren, in dem er das Grundrecht auf persönliche Meinungsfreiheit so weit fasste, dass er auch das Führen des Tucholsky-Zitates «Alle Soldaten sind Mörder» einschloss. Heute, sagt Gehrke, würde er dieses Urteil nach dem Irak-Krieg weitaus radikaler formulieren.

Abgesehen davon, dass Tucholsky wohl mit Bedacht nicht „Alle Soldaten sind Mörder“ geschrieben hat, meint die „Neue Presse“ mit dem letzten Satz vermutlich, dass Gehrke, wenn er das Urteil heute noch einmal zu begründen hätte, das Recht auf Meinungsfreiheit noch stärker herausstellen würde.
Dürfte man bei Gehrke demnach heute ungestraft sagen, dass auch bestimmte Politiker Mörder seien?

12.2.2005

Satz des Anstoßes

Kaum zehn Jahre ist es her, dass das Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ sogar das Bundesverfassungsgericht beschäftigte. Es gibt aber noch eine andere militärkritische Aussage Tucholskys, die in der Vergangenheit immer wieder die Gemüter bewegte. Auch in diesem Jahr kocht die entsprechende Debatte wieder hoch. Allerdings nicht auf nationaler Ebene, sondern in der Donaustadt Ulm, wie die „Stuttgarter Zeitung“ am Freitag berichtete.

Stein des Anstoßes ist ein Denkmal gleichen Namens, das den Deserteuren des Zweiten Weltkrieges gewidmet ist. Schon 1989 wurde die Stahlskulptur geschaffen. Aber die Ulmer Stadtoberen trauen sich bis heute nicht, das Denkmal im öffentlichen Raum aufzustellen.
Was das alles mit Tucholsky zu tun hat? Das Denkmal geht gewissermaßen auf seine Anregung zurück. Ausgesprochen in einem Text, in dem er sich gegen den französischen Brauch wandte, an den Häusern kleine Tafeln zur Erinnerung an gefallene Soldaten anzubringen. Seine Schlussfolgerung lautete damals:

Uns fehlen andre Tafeln. Uns fehlt diese eine:

Hier lebte ein Mann, der sich geweigert hat,
auf seine Mitmenschen zu schießen.
Ehre seinem Andenken!

Ignaz Wrobel: „Die Tafeln“, in: Die Weltbühne, 21.4.1925, S. 601

Die von Tucholsky vorgeschlagene Tafelinschrift hat die Künstlerin Hannah Stütz-Mentzel an der Skulptur angebracht.
Nach Angaben der „Stuttgarter Zeitung“ stehen aber auch in diesem Jahr die Chancen schlecht, dass das Denkmal aufgestellt wird. Selbst der 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus sei nicht Anlass genug.

Die Stadtverwaltung ist nicht bereit, eine Baugenehmigung für den „Stein des Anstoßes“ auch nur im Gemeinderat beraten zu lassen. Tabuisiert sei das Thema der Kriegsdienstverweigerung in Ulm immer noch, wettern darum Aktivisten.

Aber Tucholsky hat wohlweislich nicht gefordert, dass „diese eine“ Tafel in der ehemaligen Bundesfestung Ulm hängen muss.

11.2.2005

Alkohol und Literatur

Eine Weinprobe mit Vorträgen aus Tucholskys Werk zu verbinden, scheint keine schlechte Idee zu sein. Wie die „Hochheimer Zeitung“ berichtet, war eine entsprechende Veranstaltung des Volksbildungswerkes im Rheingauer Weingut Rebenhof „bis zum letzten Platz besetzt“. Natürlich bleibt offen, ob die Besucher wegen der Literatur oder letztlich doch nur wegen des leckeren Rieslings so zahlreich in die Weinstube strömten. Wer aber, wie Tucholsky, zum Verkauf seines Büchleins „Rheinsberg“ auf dem Berliner Kurfürstendamm einst eine Bücherbar einrichtete, dürfte für die Verbindung von Wein und seinen Texten sicher viel Verständnis haben.

Happy End

Es ist sicherlich nicht besonders nett von der „Süddeutschen Zeitung“, die anstehende Hochzeit von Prinz Charles und Camilla Parker Bowles ausgerechnet mit einem Vers aus Tucholskys Gedicht „Danach“ zu kommentieren:

Was aber wird aus den beiden, wenn sie erst mal verheiratet sind? Längst vorbei die geheimen Rendezvous im Pferdestall, vorüber das honigsüße Gewisper am Telefon. Bald stehen sie am Balkon des Buckingham Palasts, überwacht von der Königin. Wie hat Tucholsky gedichtet? „Die Ehe war zum jrößten Teile vabrühte Milch un Langeweile.“

Nun ist es zum einen nicht Aufgabe des SZ- „Streiflichts“, zu Mitgliedern des britischen Königshauses nett zu sein, und zum anderen ist leider nicht zu hoffen, dass nach dem lang ersehnten Happy End der beiden plötzlich „abjeblendt“ wird, wie es im dem Tucholsky-Gedicht weiter heißt. Denn selbst verbrühte Biomilch schafft es in die Regenbogenpresse, wenn sie nur auf einem königlichen Herd schäumte.

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