9.1.2010

Ein bunter Strauß Geburtstagsgrüße

Was Tucholsky wohl zu den Blumen gesagt hätte, die ihm die deutschen Medien heute aufs Grab gestellt haben?

Vermutlich herzhaft gelacht hätte er über die Berliner BZ, die keine Mühen gescheut hat, eine Tucholsky-Würdigung von Christoph Stölzl mit einem ausgefallenen Foto zu illustrieren. Ihr ist es offenbar gelungen, nicht nur ein Bild von Tucholsky, sondern sogar von einem seiner Pseudonyme aufzutreiben. Aber um welches handelt es sich dabei: den bitterbösen Ignaz Wrobel, den kugelrunden Peter Panter, den melancholischen Kaspar Hauser oder den dichtenden Theobald Tiger?


Wenn es nicht doch jemand anderes wäre, könnte man ganz gut auf Kaspar Hauser tippen. Und wie muss man sich die Bildunterschrift erklären (inhaltlich, nicht grammatisch)? Also direkt nach seinem 45. Geburtstag dachte Tucholsky, mit diesem halbrunden Alter ist Schluss? Da lebte er aber noch fast zwölf Monate.

Stölzl selbst bemüht eher die Klischees, um seinen Lesern Tucholsky näherzubringen:

Der Jammer über den Höllensturz seines Vaterlandes hatte ihm das Herz gebrochen. (Wirklich?)

Sie vergalten es ihm mit ihrem Hass, der ihn 1933 sofort zur Flucht zwang. (War er nicht schon 1924 aus Deutschland weggegangen?)

Alles, was Tucholsky machte, wurde sogleich zur öffentlichen Angelegenheit. (Lebte er in einem prä-endemoligen Big-Brother-Container? War er Dauergast bei Kerners Großvater?)

Aber auch der WDR hat in seinem »Stichtag« einmal kräftig daneben gelangt:

Gegen den Kriegseintritt Deutschlands 1914 schreibt Tucholsky ebenso an wie gegen den Kommunismus.

Das hat Stölzl richtiger getroffen: »1914 wurde er Soldat, aber anders als die meisten seiner Generation blieb er immun gegen den Hurra-Patriotismus.« Und schrieb die ersten Kriegsjahre rein gar nichts. Gegen kommunistische und sozialistische Bestrebungen zum Nutzen der Arbeiter und des Pazifismus hatte er recht wenig einzuwenden, wenn auch gegen die Politik der KPD.

Eine recht schöne Würdigung findet sich in der Wiener »Presse. Ob die stark bemühte Tinten-Metapher aber bei einem Menschen angebracht ist, der zeitlebens nur auf der Schreibmaschine klapperte und sogar bei Privatbriefen fragte: »Darf man tippen?«

Eher geschmunzelt hätte Tucholsky wohl über eine Formulierung in der Ostthüringer Zeitung:

Die Grabplatte ziert ein Gleichnis aus Goethes »Faust«.

Wie dieses sehr vergängliche Gleichnis wohl lautet??

Vielen Dank an Roland Templin für den Hinweis zu Tschechow.

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