Angebliche Tucholsky-Zitate
Im Internet kursieren Dutzende Zitate, die angeblich von Kurt Tucholsky stammen, jedoch nicht in dessen Werk belegt sind. Hier eine sicherlich unvollständige, aber vermutlich ständig zu erweiternde Zusammenstellung mit den häufigsten Falschzitaten:
Als deutscher Tourist im Ausland steht man vor der Frage, ob man sich anständig benehmen muss oder ob schon deutsche Touristen dagewesen sind. (Aus dem Film: „Schloß Gripsholm“ von Kurt Hoffmann. Drehbuch: Herbert Reinecker, 1:00:58. „Muss ich mich anständig benehmen oder waren hier schon deutsche Touristen?“)
Chanson ist Welttheater in drei Minuten.
Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen.
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.
Der Horizont des Berliners ist längst nicht so groß wie seine Stadt.
Der Tod eines Menschen: das ist eine Katastrophe. Hunderttausend Tote: das ist eine Statistik! (findet sich zwar in einem Tucholsky-Text (»Französischer Witz«), aber als angebliches Zitat eines französischen Diplomaten)
Der Vorteil der Klugheit liegt darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.
(Oder auf Spanisch: La ventaja de ser inteligente es que así resulta más fácil pasar por tonto. Lo contrario es mucho más difícil.)
Der Wert einer Kultur lässt sich danach bemessen, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht.
Deutsche – kauft deutsche Bananen! – Das Original lautet: Deutsche, kauft deutsche Zitronen! Erschienen in dem Text »Europa«, in: Die Weltbühne, 12. Januar 1932, S. 73
Die SPD ist und bleibt die Vorhaut der Arbeiterklasse. Immer wenn es ernst wird, zieht sie sich zurück. (Wohl ein Spontispruch aus den 1970er Jahren.)
Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen. (Das Zitat lautet korrekt: Laß dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: «Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!» – Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen.)
Freiheit stirbt mit Sicherheit.
Gestze sind Jungfrauen im Parlament, aber Huren vor Gericht.
Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte. (von Max Liebermann)
Ich glaube jedem, der die Wahrheit sucht. Ich glaube keinem, der sie gefunden hat.
Jeder Krieg ist eine Niederlage. Denn Krieg vernichtet Leben.
Lasst uns das Leben genießen, solange wir es nicht begreifen.
Reisen ist die Sehnsucht nach dem Leben.
Sie dachten, sie seien an der Macht, dabei waren sie nur an der Regierung.
Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.
Unterschätze nie die Macht dummer Leute, die einer Meinung sind.
Was nützen die besten Worte, wenn sie über die Wirklichkeit hinwegtäuschen. (von Tucholsky zitiert im Artikel „Leichenreden“ aus dem Buch: Das Marne-Drama des 15. Juli 1918, von Kurt Hesse, Berlin 1919).
Was unterscheidet Geschwister von wilden Indianerstämmen? Wilde Indianer sind entweder auf Kriegspfad oder rauchen Friedenspfeife – Geschwister jedoch können gleichzeitig beides. (Die korrekte Version lautet: Die Familie weiß alles, mißbilligt es aber grundsätzlich. Andere wilde Indianerstämme leben entweder auf den Kriegsfüßen oder rauchen eine Friedenszigarre: die Familie kann gleichzeitig beides.)
Wenn Wahlen etwas änderten, wären sie längst verboten.
(Wird auch Emmy Goldman zugeschrieben: „If voting changed anything they would make it illegal.“)
Wenn die Börsenkurse fallen (Dieses angebliche Tucholsky-Gedicht stammt von Richard Kerschhofer)
Wer die Sprache beherrscht, beherrscht auch das Denken der Menschen.
Wer nach allen Seiten offen ist, der kann nicht ganz dicht sein.
Zur Versachlichung der Impfdebatte (Dieses angebliche Tucholsky-Gedicht stammt vom Titanic-Autor Cornelius Oettle).
Sollte jemand eines dieser Zitate in Tucholskys Werk entdecken, bekommt er zur Belohnung ein Weltbühne-Lesebuch zugeschickt!
[…] von Herholz selbst. Sie findet sich auf hunderten Internet-Seiten, und hat daher die Ehre, in die Sammlung der angeblichen Tucholsky-Zitate aufgenommen zu werden. Es wird sicherlich nicht die letzte Ergänzung gewesen […]
Pingback von Sudelblog.de - Das Weblog zu Kurt Tucholsky » Mit Schmus und Zitatenschatz (3) — 9.1.2009 @ 19:03
[…] das richtige Tucholsky-Zitat davon ist, findet man schnell heraus, wenn man diese weisen Sprüche […]
Pingback von Sudelblog.de - Das Weblog zu Kurt Tucholsky » Mit Schmus und Zitatenschatz (5) — 9.3.2010 @ 18:52
Hi, es kursiert auch folgendes, das sich nicht bei Wikiquotes findet:
„In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“
Auch leicht abgeändert. Wie sieht es damit aus?
Comment von Emil — 18.5.2015 @ 11:00
[…] sudelblog.de gibt es bereits eine Sammlung Zitate, die eher nicht von Kurt Tucholsky stammen, nichtsdestotrotz jedoch unter seinem Namen kursieren. Dies ist zwar einerseits ein sehr schöner […]
Pingback von Juden und Radfahrer – Ein angebliches Tucholsky-Zitat | Kurt Tucholsky-Gesellschaft — 27.2.2016 @ 16:11
[…] auf der Arbeit von sudelblog.de soll hier eine Sammlung versucht werden von Zitaten, die nach allem Dafürhalten Kurt Tucholsky […]
Pingback von Angebliche Tucholsky-Zitate | Kurt Tucholsky-Gesellschaft — 17.3.2016 @ 9:03
[…] »Spezialist« für falsche Zitatzuschreibungen ist nach wie vor unser Mitglied Friedhelm Greis, der schon vor Jahren einen Buchpreis ausgesetzt hat, falls jemand für die von ihm gesammelten Falschzitate eine Fundstelle in Tucholskys Lebenswerk finden sollte (siehe insoweit auch: Sudelblog.de – Das Weblog zu Kurt Tucholsky)3 […]
Pingback von Tucholsky im Spiegel [August 2016] | Kurt Tucholsky-Gesellschaft — 4.8.2016 @ 20:58
[…] bei dem Journalisten und Satiriker Kurt Tucholsky. Es gibt hier auf dem Sudelblog eine sicherlich unvollständige Liste von Zitaten, die Tucholsky immer wieder fälschlicherweise zugeschrieben werden. Leider wird diese offenbar als […]
Pingback von Sudelblog.de – Das Weblog zu Kurt Tucholsky » Mein gar nicht böser Tucholsky-Bot — 2.2.2018 @ 22:51
[…] (Deutsche Version des Artikels) […]
Pingback von Sudelblog.de – Das Weblog zu Kurt Tucholsky » Citas atribuidas falsamente a Kurt Tucholsky — 17.2.2018 @ 16:37
Comment von aoZytdsKglVJ — 22.9.2019 @ 5:35
Hallo,
bin über diese website gestolpert und frage mich, inwieweit es gleichzusetzen ist, dass ein Zitat nicht in jemandes Werk zu finden ist und es somit automatisch ein Falschzitat ist. In der Wissenschaft wird hier durchaus mit „mündl. Überlieferung“ zitiert – ohne, dass es in einem „Werk“ niedergeschrieben ist.
Ihr Argument scheint somit vielmehr ein „Es ist so“-Totschlagargument zu sein.
Die grundlegende Frage ist: Ist ein Zitat gesichert einer anderen Quelle zuzuschreiben? Falls nicht, steht die Herkunft schlichtweg im Zweifel – und dann kann man es aber nicht „eindeutig“ als Falschzitat deklarieren. Das wäre eigentlich implizit.
Im Prinzip spiegelt sich exakt diese Vorgehensweise auch in der Rechtssprechung: Im Zweifel für den Angeklagten.
Besten Gruß,
O.
Comment von O. — 23.7.2021 @ 5:57
Hallo O.,
auch für eine mündliche Überlieferung muss es zuverlässige Quellen geben. Beispielsweise Menschen, die Tucholsky persönlich gekannt haben und daher seine Aussagen glaubwürdig belegen können. Bei den aufgeführten Zitaten ist das nicht der Fall. Daher gilt die Pflicht einer Quellenangabe, die laut §63 des Urheberrechtsgesetzes erforderlich ist.
https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__63.html
Grüße, Friedhelm Greis
Comment von fg — 29.11.2021 @ 0:01