9.9.2005

Auch Bush spielt auf der Weltbühne

Es ist schon sehr merkwürdig, an welchen Schlagwörtern die Medien manchmal ihre Artikel aufhängen. Setzte die „Berliner Zeitung“ gestern die Überschrift „Auch Thomas Mann schrieb hier“ über einen Text zum hundertsten Geburtstag der „Weltbühne“, macht es die „Thüringische Landeszeitung“ heute noch ein bisschen bizarrer: „Old Shatterhand auf der ‚Weltbühne'“ steht über der an sich recht schönen Würdigung des Blattes durch Detlef Jena.

Wie der Autor auf den Zusammenhang zwischen der Karl Mayschen Romanfigur und der „Weltbühne“ kommt, ist schnell erklärt: In dem Wikipedia-Artikel über die Zeitschrift werden auch einige der selteneren Tucholsky-Pseudonyme erwähnt, darunter Paulus Bünzly, Theobald Körner und eben jener Old Shatterhand, den Tucholsky zwei Mal verwendet hat. Dass Detlef Jena den Wikipedia-Artikel gelesen hat, ist offensichtlich, hat er sich doch einen Absatz lang sehr stark an der Enzyklopädie orientiert.

Eine solch enge Anlehnung hat Jena eigentlich gar nicht nötig. Denn dass er zu eigenständigen Urteilen und Formulierungen fähig ist, zeigen folgende Passagen:

„Die Weltbühne“ war das anständigste Blatt der Weimarer Republik, weil es, frei von parteipolitischen Intrigen, ein intellektuelles Zukunftsmodell einer praktischen Demokratie in Deutschland entwarf, frei von Nationalismus, Rassismus, Korruption, Vetternwirtschaft, Kriegstreiberei oder sozialer Ungerechtigkeit. (…)
Die ganze Kraft, die antifaschistische Intellektuelle in den Erhalt der „Weltbühne“ investierten, verpuffte im Grunde im Streit um Rechte, Zuständigkeiten oder Empfindlichkeiten bei Herausgebern und Autoren.

7.9.2005

100 Jahre „Die Weltbühne“

Heute vor 100 Jahren, am 7. September 1905, ist in Berlin zum ersten Mal die Theaterzeitschrift „Die Schaubühne“ erschienen. Sie war von 1913 an Tucholskys wichtigstes Publikationsorgan und sollte sich unter seinem Einfluss einem breiteren Themenspektrum öffnen, was 1918 zur Umbenennung in „Die Weltbühne“ führte.

Sollte das Jubiläum nicht Grund genug für die Medien sein, die Zeitschrift kurz zu würdigen? Natürlich nicht, meint das „Altpapier“ der „Netzeitung“, denn schließlich erführen die Medienjournalisten aus der Zeitschrift nichts Neues. Alles schon mal da gewesen: vom Caroline-Urteil über Pressekorruption bis hin zu rein kulinarischen Pressereisen.

Aber wenigstens eine Ausnahme gibt es: In der „Berliner Zeitung“ würdigt Peter Jacobs die Geschichte der Zeitschrift. Dem Artikel allerdings die Überschrift „Auch Thomas Mann schrieb hier“ zu verpassen, zeugt nicht von einer besonders tiefen Kenntnis der Materie. Als müssten sich die Journalisten Jacobsohn, Tucholsky oder Ossietzky hinter einem Schriftsteller verstecken, von dem in der Zeitschrift gerade einmal ein Handvoll Texte erschienen sind. Das klingt so, als würde man die Geschichte Italiens auf die Schlagzeile „Auch Goethe war da“ komprimieren.

Einen anschaulicheren Überblick über die Geschichte der Zeitschrift ermöglicht dagegen eine Ausstellung, die am 10. September im Tucholsky-Literaturmuseum in Rheinsberg eröffnet wird. Die Ausstellung ist bis 13. November 2005 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 9.30 – 12.30 Uhr und 13 – 17 Uhr.



Umschlag der „Weltbühne“ vom 12.3.1929

30.8.2005

Aus gegebenem Anlass

In der „FAZ“ mokiert sich Jochen Stöckmann äußerst kunst- und kanzlerkritisch über eine Aktion, mit der Gerhard Schröder seit 1994 vor sämtlichen Wahlen unterstützt wird. Am vergangenen Sonntag war es in Hannover wieder einmal soweit. Künstler um Klaus Staeck und Siegfried Neuhausen präsentierten ihr Kunstwerk, in diesem Wahljahr ein „Potpourri von Stühlen“. Schröder überreichte dabei den Kunstpreis „Aus gegebenem Anlass“ an Jochen Gerz.

Der Tenor des FAZ-Textes „Stühlerücken“ lautet eindeutig: Wenn die falschen Künstler für den falschen Kanzler werben, kann nichts Anständiges dabei herauskommen, schon gar keine Kunst. In den Worten Stöckmanns: „Und die glückliche Ahnungslosigkeit der Kunst harmoniert aufs beste mit der kecken Unwissenheit der Politik.“ Und um Kurzatmigkeit des Schröderschen Politiktreibens aufzuzeigen, bemüht er zwei Sätze Tucholskys, in denen dieser über die Aufgeblasenheit des Berliner Geschäftsbetriebs urteilte:

Übermorgen haben sie alles vergessen: euer Projekt, den Künstler und die Skizzen. Und frohen Herzens stürzen sie sich auf das nächste Ding…
Ignaz Wrobel: „Berliner Geschäfte“, in: Berliner Tageblatt, 27.1.1920

Was Tucholskys Klage mit der Kunstaktion zu tun, weiß wohl nur Stöckmann. Schließlich wird in „Berliner Geschäfte“ lediglich geschildert, wie die Unternehmer für ihre hochfahrenden Projekte Künstler und andere potenziellen Mitarbeiter aufscheuchen, um anschließend das Projekt und die Künstler ebenso schnell wieder zu vergessen. Im Falle der Kunstaktion scheint es aber genau umgekehrt zu sein. Die Initiative ging von den Künstlern aus, und wie lange Schröder sich an die 25 Stühle des Potpourris erinnert, ist wirklich ihm selbst überlassen.

Eines muss man dem FAZ-Text aber zugute halten. Es wird darin anschaulich geschildert, wie so manche Zitate in die Welt gesetzt werden:

„Weitermachen gegen das Aufhören“, dieser Mahnung des Künstlers wolle er gerne folgen, verkündet siegesgewiß der Preisredner. Tatsächlich hat Gerz diesen Satz nie gesagt. Es ist die kurzschlüssige Schlagzeilenformulierung eines Kritikers, von einem Sprecher der Künstlerinitiative zitiert, von Schröder aufgeschnappt und flugs zur gängigen Parole umgewertet.

22.8.2005

Stöckelschuhe im Einheitsbrei

Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich die Feuilletons der „Neuen Zürcher Zeitung“ und des Berliner „Tagesspiegels“ abgesprochen haben. Aber die Art und Weise, in der sich zwei Beiträge in deren Sonntagsausgaben ergänzen, ist schon frappant. Da beklagt Regula Freuler in der „NZZ“ den „optischen Einheitsbrei auf dem Büchertisch“ und lässt Tucholsky meckern:

„Neuerscheinung! Soeben erschienen! Nur ja nichts lesen, was schon länger als vier Tage aus der Druckerpresse heraus ist!“ Kurt Tucholsky hatte gut schimpfen. Wenn er bereits 1930 den Buchmarkt als „Hochflut“ bezeichnet – durch die er als Kritiker viele Bahnen zog -, gehört heute eigentlich ein Tiefsee-Tauchbrevet ins Curriculum von Literaturredaktoren.

Aber nicht nur die schiere Masse an Neuerscheinungen stört Freuler:

Wenn es nur die Flut wäre. Schlimmer ist der optische Einheitsbrei: Stöckelschuhe, Frauenbeine, Stöckelschuhe, Frauenbeine – zum Davonlaufen!

Da hatten es die Leser früherer Generationen noch besser, um auf den Artikel im „Tagesspiegel“ zu sprechen zu kommen. Schon Tucholsky lobte 1932:

Wenn ich nicht Peter Panter wäre, möchte ich Buchumschlag im Malik-Verlag sein. Dieser John Heartfield ist wirklich ein kleines Weltwunder. Was fällt ihm alles ein! Was macht er für bezaubernde Dinge. Eine seiner Fotomontagen habe ich mir rahmen lassen, und aufbewahren möchte man sich beinah alle.

Letzteres war gar nicht nötig, denn das haben andere für Tucholsky übernommen. Das Ergebnis dieser Sammelleidenschaft lässt sich nun in einem äußert umfangreichen Bildband bewundern, den der „Tagesspiegel“ in dem Artikel „Eingeschlagen, umgeschlagen“ präsentiert:

„Blickfang. Bucheinbände und Schutzumschläge Berliner Verlage 1919 – 1933“ heißt das monumentale Kompendium, das in 86 alphabetisch geordneten Kapiteln glatte 1000 Buchumschläge farbig wiedergibt und oft die Rückseiten und Buchrücken dazu.

Vielleicht lassen sich ja einige Graphiker von dem drei Kilo schweren „Erschlagewerk“ aus dem Holstein-Verlag inspirieren, damit die Prophezeiung der „NZZ“ fürs nächste Jahr vielleicht doch nicht wahr wird:

„Wir wollen nicht das Neuste lesen; wir wollen das Beste, das Bunteste, das Amüsanteste lesen.“ Die Waage, lieber Herr Tucholsky, die diese drei im Gleichgewicht hält, muss erst noch erfunden werden. Bis dahin gilt: Auf in die nächste Stöckelschuh-Saison!



Von John Heartfield gestaltetes Cover

20.8.2005

Schlichte Gedichte

Aus merkwürdigem Anlass befasst sich die „FAZ“ heute ein wenig mit Leben und Werk der Schriftstellerin und Journalistin Mascha Kaléko. In ihrem Text „Momentaufnahme eines aufgeräumten Gemüts“ erweckt Renate Schoschtak den Eindruck, als sei der Gedichtband „In meinen Träumen läutet es Sturm“ soeben neu bei DTV herausgekommen. Dem ist aber überhaupt nicht so. Die erste Auflage erschien bereits 1977, die 18. Auflage im Jahre 1998. Warum das Buch anlässlich der soundsovielten Neuauflage wieder präsentiert wird, weiß wohl nur die „FAZ“.

Davon abgesehen, versucht Schoschtak die Lyrik Kalékos in damalige Strömungen einzuordnen:

Kaleko besitzt wie die Zeitgenossen, mit denen sie in dieselbe Schublade gelegt wird – Kästner, Tucholsky, Ringelnatz, Klabund – und wie ihr großer Ahnherr Heine, was in Deutschland rar ist: Anmut, Humor, Witz.

Und warum verweigert die „FAZ“ Frau Kaléko konsequent den Akzent? So rar dürften die Häkchen in den digitalen Setzkästen noch nicht geworden sein.

19.8.2005

His master’s voice

Wer wollte nicht schon immer mal gehört haben, wie Großdichter Goethe selbst den „Zauberlehrling“ aufsagte? Was bei Goethe und Schiller leider nicht möglich ist, kann bei 15.000 anderen deutschen Autoren Wirklichkeit werden. Von so vielen Schriftstellern besitzt das Deutsche Literaturarchiv in Marbach entsprechende Aufnahmen, wie die „Stuttgarter Zeitung“ in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Darunter seien auch einige Prominente zu finden:

Zu hören, wie Gottfried Benn oder Paul Celan ihre eigenen Gedichte vorgetragen haben, gewährt eben einen ganz anderen Zugang zu dieser schwierigen Lyrik als der gedruckte Text.

Allerdings gibt es längst nicht von allen bekannten Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts solche Aufnahmen. Auch nicht von einem, der bekanntermaßen sogar im Rundfunk aus seinen Werken vorgetragen. Eine häufige Anfrage muss Archiv-Leiter Andreas Kozlik daher immer abschlägig beantworten:

Immer wieder werde er gefragt, ob es in Marbach auch die Stimme von Kurt Tucholsky zu hören gebe, erzählt Kozlik. Doch in diesem Fall muss er die Besucher enttäuschen, da bleibt dem Literaturfreund nur das geschriebene oder gedruckte Wort.

10.8.2005

Emotional ansprechende Zwanziger

Wie unterschiedlich zwei Rezensionen ein und desselben Produktes ausfallen können, zeigt ein Vergleich zwischen Berliner „Tagesspiegel“ und „Berliner Zeitung“, die sich beide ein neue Art von Hörbuch angeschaut haben. Die Firma Ear Books vertreibt Bildbände mit beigefügten CDs, laut Eigenwerbung ein „physisch erlebbares Produkt, das emotional anspricht. Zum attraktiven Preis“. Das neueste Werk aus diesem Hause heißt „Cabaret Berlin“ und widmet sich den Goldenden Zwanzigern in der damaligen Reichshauptstadt.

Der „Tagesspiegel“ geht vergleichsweise gutwillig mit dem Konzept um:

Die Texte der gesammelten Lieder sind so anspielungsreich wie die Tänzerinnenposen auf den Fotos und sprechen vom trotzigen Selbstbewusstsein einer Stadt, die Krieg und Not erlebt hat und deren Zukunft ungewiss ist, sodass man sich wenigstens am Abend lustvoll dem Hier und Jetzt hingibt. Da die Begleittexte leider sehr knapp sind, bleibt die Zeitreise jedoch an der Oberfläche. Was man dafür anschaulich vorgeführt bekommt, ist „die schönste Fassade einer turbulenten und tragischen Zeit“, wie Jörn Müller in der Einführung schreibt.

Carmen Böker von der „Berliner Zeitung“ lässt jedoch kein gutes Haar an der ganzen Verlagsidee:

Die „Generation Überraschungsei“ fordert selbst Verlegern einiges ab. Menschen, die in ihrer Jugend nicht schlicht mit Schokoriegeln abgespeist wurden, sondern mit einem Produkt, das auf einen Schlag „was Spannendes, was zum Spielen und was zum Naschen“ bietet – die wollen auch Bücher nicht bloß lesen. (…) Der Band „Cabaret Berlin“ sucht ebenfalls lieber Marlene Dietrich in den Kulissen des „Blauen Engels“ und die nonchalant barbusigen „Palmenmädchen“ in der Ausstattungsrevue „Die Sünden der Welt“ auf als Dada-Manifeste und Revolutionsbegehren zu behandeln. Die Fotografien von Kinopalästen und U-Bahn-Kathedralen, von schwanengleichen Damen und geschniegelten Herren sind nett anzusehen – aber es fehlen die klugen, dreisten, politischen Texte jener Zeit, die von Autoren wie Tucholsky, Brecht, Klabund, Marcellus Schiffer oder Ringelnatz für das Kabarett verfasst wurden.

Einen sprachhistorischen Lapsus erlaubt sich allerdings der „Tagesspiegel“, indem er etwas unbedarft von den Zwanzigern als einer Zeit spricht, „als Schlager noch Gassenhauer hießen“. Das kann wohl nicht recht stimmen, schrieb Tucholsky doch 1922 schon über „alte Schlager“:

Schlager sind Lieder, bestehend aus Musik und Worten, die kaum noch etwas mit ihren Autoren zu tun haben, sondern die aus der Literatur zum Gebrauchsgegenstand des Volkes oder des jeweiligen Volkskreises avanciert oder degradiert sind. Solche Lieder zum sonntäglichen Gebrauch des deutschen Bürgertums aus den Jahren 1740 bis 1840 hat Gustav Wustmann, der Schöpfer des ausgezeichneten Werkes ‚Allerhand Sprachdummheiten‘ veranstaltet, und ihre Neuausgabe liegt jetzt vor.
Peter Panter: „Alte Schlager“, in: Die Weltbühne, 1.6.1922, S. 554

4.8.2005

Uwe Kolbe schreibt in Rheinsberg

Der Schriftsteller Uwe Kolbe ist der 22. Stadtschreiber von Rheinsberg. Wie das Kurt-Tucholsky- Literaturmuseumin Rheinsberg mitteilte, wird Kolbe bis Dezember mit einem Stipendium des Landes Brandenburg und des Landkreises Ostprignitz-Ruppin in der Rheinsberger Stadtschreiberwohnung arbeiten. Kolbe wurde 1957 in Ost-Berlin geboren und veröffentlichte von 1976 an erste Texte in der Zeitschrift „Sinn und Form“. Da er in den achtziger Jahren in der DDR nicht publizieren durfte, siedelte er 1986 dauerhaft in den Westen über. 1992 erhielt er den Berliner Literaturpreis und 1993 den Friedrich-Hölderlin-Preis.

23.7.2005

Erledigte Besprechungen

Der Patmos-Verlag hat im Juni ein Hörbuch mit Tucholsky-Texten neu aufgelegt und sich damit eine Reihe recht wohlwollender Besprechungen eingehandelt. So auch von Wiglaf Droste, der sich in der „Frankfurter Rundschau“ schon das ein oder andere Mal einem Hörbuch mit Tucholsky-Bezug gewidmet hat. In diesem Fall ist Droste des Lobes voll für den Sprecher Dieter Mann, der auf der CD „Unerledigte Konten“ die Texte so „unabgelatscht“ präsentiere, wie sie es verdienten. Mann gelinge es sogar „Tucholsky-Klassiker lebendig werden zu lassen, die von Stumpf-ist-Trumpf-Gesellen wie Lutz Görner zu Tode rezitiert wurden“.

Ähnlich positiv äußerte sich auch Jürgen Balitzki vom Kulturradio des RBB über die Aufnahmen:

Schon das erste Stück dieser CD – Der Portier vom Reichskanzlerpalais – stellt uns Tucholsky als zupackenden Zeitkritiker vor, der Machtwechsel aus der Pförtnerloge betrachten lässt. Die Regierungen kommen und gehen – der Pförtner bleibt.

Und um zu überprüfen, ob Droste und Balitzki mit ihrem Lob richtig liegen, sollte man sich einfach den „Portier vom Reichskanzlerpalais“ als Probe selbst anhören.

4.6.2005

Rettet die Nebensätze

Regelmäßige Sprachkolumnen sind eine Sache für sich. Die Gefahr ist sehr groß, dass die aufzuspießenden Sprachschnitzer sich bald erschöpfen und die mit viel Verve und Sendungsbewusstsein vorgetragene Sprach- und Stilkritik ins Geschmäcklerische abgleitet. Ein Beispiel für eine Sprachglosse, die mehr Verwirrung stiftet, als dass sie aufklärt, ist die dieswöchige Kolumne „Fünf Minuten Deutsch“ von Ruprecht Skasa-Weiß in der „Stuttgarter Zeitung“.

Der Autor widmet sich darin dem dankbaren Thema Haupt- und Nebensätze, ohne das eine solche Kolumne auf die Dauer wohl nicht auskommen kann. Leider wirft Skasa-Weiß, unter Berufung auf Tucholsky, darin einiges durcheinander. So schreibt er:

„Hauptsätze! Hauptsätze! Hauptsätze!“ So lautet Kurt Tucholskys bekannte Empfehlung für jeden, der mit eigenem Text beim Publikum ankommen will.

Wie bitte? Wie bitte? Wie bitte? Ausgerechnet der Kleist-Verehrer Tucholsky soll generell die Bildung von Nebensätzen abgelehnt haben? Natürlich nicht, denn die Forderung nach Hauptsätzen entstammt den „Ratschlägen für einen guten Redner“, die sich von möglichen Empfehlungen an Schriftsteller und Journalisten stark unterscheiden. Schließlich wusste Tucholsky: „Das Ohr nimmt weniger auf als das Auge, es nimmt viel schwerer auf, eine Sage ist keine Schreibe.“

Es wundert daher nicht, dass Skasa-Weiß seine strikte Forderung nach Hauptsätzen anschließend wieder relativieren muss. Denn das Vermeiden von Nebensätzen führe in vielen Fällen zu einem unschönen Nominalstil, wie er selbst einräumt. Für diese Behauptung hätte er dagegen Tucholsky durchaus als Kronzeugen anführen können. Denn dieser hatte von seinem Mentor Siegfried Jacobsohn (S.J.) gelernt:

Unter den Dingen, die S. J. aus allen Aufsätzen herausstrich, wenn er sie „ins Deutsche übersetzte“, war eines, das er inbrünstig haßte, und das er vernichtete, wo immer er es antraf. Das war der substantivierte Infinitiv. „Das Musizieren“ pflegte er immer in Sätze aufzulösen oder durch ein Substantiv zu ersetzen – und er hatte recht.
Peter Panter: „Der musikalische Infinitiv“, in: Die Weltbühne, 8.9.1931, S. 381

Die Preisfrage lautet nun: Wie viele Nebensätze enthält der erste Satz des Zitates?
Die richtigen Antworten bitte an Ruprecht Skasa-Weiß schicken.

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