9.3.2006

Guck mal, wer da zitiert

Für die Zeit hat sich Jakob Augstein den Wahlkampf der Linkspartei/PDS angeschaut. Im sachsen-anhaltinischen Wolfen bekam er dabei ein Gedicht zu hören, das fast schon als inoffizielle Parteihymne der PDS gelten darf. Der Text „Guck mal, wer da kandidiert“ steigt mit folgender Szene ein:

„Genossinnen und Genossen, ein Gedicht:
Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.
Ihr sollt auf euren Direktor vertrauen.
Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.
Ihr sollt alles weitere dem Chef überlassen.
Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein.
Wir wollen freie Wirtschafter sein!“

Der Redner hält inne und blickt von seinem Zettel auf. „Das hat Tucholsky geschrieben, und zwar im Jahr 1930, Genossinnen und Genossen. Es könnte von heute sein, nicht wahr!“ Das Publikum in Taubenblau, Cremegelb und Kittgrau nickt mit den weißhaarigen Köpfen.

Das hat Tucholsky tatsächlich 1930 geschrieben, und das ist auf Veranstaltungen der PDS schon häufiger zitiert worden. Augstein schreibt leider nicht, ob das weißhaarige Publikum auch den Anfang der vierten Strophe von „Die freie Wirtschaft“ zu hören bekam:

Was ihr macht, ist Marxismus.
          Nieder damit!
Wir erobern die Macht, Schritt für Schritt.
Niemand stört uns. In guter Ruh
sehn Regierungssozialisten zu.

Diese Verse werden auf linken Internetseiten meistens weggelassen. Die korrekte Fassung findet sich wesentlich seltener. Es hat wohl durchaus seine Gründe, wenn Augstein in seinem Artikel von Anzeichen für eine „innere Unaufrichtigkeit dieser neuen Linken“ spricht.

3.3.2006

Der Spion, der Tucholsky liebte

Wenn sich ZDF-Dokumentarfilmer Guido Knopp mit der Berliner Boulevardzeitung B.Z. zusammentut, ist eigentlich wenig Gutes zu erwarten. Was Knopp aber am gestrigen Donnerstag den Berlinern darüber zu erzählen hatte, wie der Mythos Wolf zerbrach, ließ manchen vielleicht ein wenig langsamer zu den beliebten Kontaktanzeigen blättern. Die Art und Weise, wie der damalige DDR-Spionage-Chef Markus Wolf enttarnt wurde, lässt an so etwas wie eine Ironie der Geschichte glauben:

Begonnen hatte alles acht Monate zuvor auf einem verschwiegenen Dorffriedhof vor den Toren der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Am Grab des einst von den Nazis vertriebenen Schriftstellers Kurt Tucholsky hatte sich am 1. Juli 1978 eine Handvoll Besucher eingefunden. Beamte der schwedischen Spionageabwehr lagen in der Nähe auf der Lauer.

Und knipsten ein Foto, auf dem Wolf einige Monate später von einem ehemaligen Stasi-Mitarbeiter erkannt wurde.

Nun wird es wohl immer das Geheimnis von Markus Wolf bleiben (solange ihn niemand danach fragt), warum er unbedingt das Grab Tucholskys in Mariefred besuchen wollte. Aber bei seinem Familienhintergrund ist es vielleicht kein Wunder, dass er ein gewisses Faible für literarische Emigranten hatte.

14.2.2006

Ein Kind meines Pubs

Deutsch: Lächerliches Zerpflücken der Klassiker; törichte Aufsätze, schludrig und unverständig korrigiert; mittelhochdeutsche Gedichte wurden auswendig gelernt, niemand hatte einen Schimmer von ihrer Schönheit.

Mit diesen scharfen Worten beschwerte sich jemand über den Schulunterricht, der wegen seiner schlecht benoteten Deutsch-Aufsätze mit 17 Jahren das Gymnasium verlassen musste. Zum Glück durfte er später unbehelligt Artikel wie „Ein Kind aus meiner Klasse“ veröffentlichen und nach Herzenslust über das verhasste Schulsystem herziehen.

Ob Christoph später ähnlich schlecht von seiner Schulzeit reden wird? Immerhin durfte er sich als Schüler des Homberger Theodor-Heuss-Gymnasiums in in einem Irish-Pub auf das Abitur vorbereiten. So steht es in einem Artikel der Hessen Nassauischen Allgemeinen (HNA) geschrieben, der leider nicht für die Qualitäten des derzeitigen Bildungssystems spricht. Autorin Anne Weber legt gleich richtig los:

Tucholsky ist überall. Sogar im Homberger Irish Pub. Der Mann, der den legendären Satz erfunden hat „Jeder Mensch ist Ausländer und das fast überall“ stand im Mittelpunkt einer außergewöhnlichen Weiterbildung von künftigen Abiturienten.

Wer auch immer diesen „legendären“ Satz „erfunden“ hat, – Tucholsky war es nicht. Von ihm stammt der ähnlich lautende Aphorismus:

Man ist in Europa ein Mal Staatsbürger und zweiundzwanzig Mal Ausländer. Wer weise ist: dreiundzwanzig Mal.

Der Schluss des Artikels hat es leider auch in sich:

Über 30 Zuhörer saßen nun im Hinterzimmer des Pubs „Dragon Inn“ und erfuhren, dass die in dem Buch beschriebene Urlaubsreise des bedeutenden deutschen Satirikers in das Schloss Gripsholm (Schweden) der Wahrheit entspricht. Darin spielt der Gesellschaftskritiker als linkspolitisch engagierter Mann auf die Inflation 1923/24 und auf die Reichtagsauflösung 1930 an, verdeutlichte der Schüler. Ihm gefalle vor allem die Art, wie Tucholsky mit Sprache umgehe, auch wenn das manchmal vulgär ausfalle.

Der Aufenthalt Tucholskys bei Schloss Gripsholm entsprach in der Tat der Realität, aber wo in der heiteren Sommergeschichte auf die Inflationsjahre 1922/23 und die Reichstagsauflösung von 1930 Bezug genommen wird, wissen nur die HNA oder der Primaner Christoph. Dass Tucholskys Sprache als „vulgär“ empfunden wird, ist dagegen ein schöner Beweis für die Unverdorbenheit der hessischen Landjugend.

Bleibt nur zu hoffen, dass im Abitur keine Fragen zu Schloß Gripsholm gestellt werden. Sonst müssten die Schüler mit Tucholsky klagen: „Ich weiß lange nicht so viel, wie ich wissen müßte – vieles fehlt mir.“

11.2.2006

Modalitäten

Je länger die Streit um die Mohammed-Karikaturen dauert, desto differenzierter scheint man sich mit den Aufgaben und Möglichkeiten der Satire auseinanderzusetzen. Ein schönes Beispiel dafür ist der Kommentar von Wolfgang Bager im Konstanzer Südkurier. Darin heißt es:

Was darf Satire? Kurt Tucholsky wusste die verblüffend einfach Antwort: „Alles“. Man würde Tucholsky schlecht kennen und grob missverstehen, schlösse man daraus, dass Satire zügellos diffamieren, beleidigen, verleumden oder gar verletzen und verhetzen dürfe. Gemeint war wohl eher, dass Satire alles dürfen darf, aber nicht alles dürfen muss. Nur, die notwendigen Regeln von Anstand, Geschmack und Stil hat der Urheber von Satire selbst festzulegen und auch die Verantwortung dafür zu tragen. Niemand sonst. Schon gar nicht staatliche oder religiöse Instanzen.

Bager macht noch auf andere Grenzen der Satire aufmerksam:

Andererseits wird vor Satire und Ironie auch immer wieder aus gutem Grund gewarnt. Vor allem, weil beide ein gewisses Maß an Intelligenz voraussetzen. Nämlich die Fähigkeit, hinter den Wortsinn der Dinge zu blicken, die Realität ad absurdum zu führen, um die Realität klarer sehen zu können. Karikatur, Kabarett und Farce können oft trefflicher abbilden als das bloße Spiegelbild. Humor setzt Verstand voraus. Beim Absender und beim Empfänger.

Auch die Aachener Nachrichten bemühten sich darum, Tucholskys Diktum von der allesdürfenden Satire einzuordnen. Das ging allerdings ein bisschen schief.

Kurt Tucholskys Maxime von 1919 („Satire darf alles“) hat er selbst 1932 in seinen „Schnipseln“ eingeschränkt: „Satire hat eine Grenze nach oben: Buddha entzieht sich ihr. (…)“

Dürfen und können sind unterschiedliche Modalverben, und daher lässt sich nicht behaupten, dass Tucholsky seine Forderung von 1919 später eingeschränkt habe. Die Beschränkung liegt nach Auffassung Tucholskys im Wesen der Gattung selbst, und wird ihr nicht von außen auferlegt.

8.2.2006

Du darfst

Was heißt „Was darf die Satire?“ eigentlich auf Dänisch? Oder auf Arabisch? Wie sieht die Satire-Diskussion in Ländern aus, die keinen Tucholsky hatten und wo niemand zitiert werden kann, der auf die Frage geantwortet hat: … man weiß es langsam. Aber da es schöne deutsche Verb „dürfen“ in anderen Sprachen ebenfalls nicht gibt, dürfte die Diskussion dort ohnehin anders geführt werden.

Hierzulande geht die Suche nach dem richtigen Tucholsky- und Satireverständnis derweil unverdrossen weiter. Eine kleine Zusammenstellung:

Bei n-tv fragt sich Manfred Beskin, ob im Karikaturenstreit die „ratio“ oder die „ultima ratio“, der Krieg, letztlich die Oberhand behält. Als Satire im Sinne Tucholskys könne man die Mohammed-Darstellungen aber nicht begreifen, heißt es in seinem „Zwischenruf“. Denn:

Kurt Tucholsky schreibt 1919, Satire müsse übertreiben und sei ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht, fügt aber an: „Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird …“. An den umstrittenen Bildern ist nichts wahr, und so kann auch keine Wahrheit deutlicher werden.

In der Jungle World versucht Georg Seeßlen eine Welt zu verstehen, die sich im „Im Rausch der Differenz“ befindet. Seeßlen versucht in seiner typisch akademischen Art, die Denk-Blöcke Islam und Westen zu analysieren. Es ist sich dabei nicht sicher, aus welchem Impetus heutzutage noch Satire produziert wird:

Das beginnt bereits damit, wie schwer es ist, bei der Verteidigung mehr oder weniger blasphemischer Bilder zu unterscheiden zwischen den Impulsen der Aufklärung, die mit Tucholsky die Frage „Was darf Satire?“ mit einem schlichten „Alles“ beantwortet; und den Impulsen eines gefräßigen Bildermarktes, der das „Alles“ nicht auf Aufklärung sondern auf gnadenloses Entertainment (wenn nicht auf die Kränkung einer bestimmten Religion, so doch auf eine ironische Entheiligung der gesamten Welt, auf die semiotische Degradierung für den Markt) bezieht.

Den Grad an geistiger Verwirrung, der in Satirefragen derzeit herrscht, macht das Editorial von Stephan-Andreas Casdorff im Berliner Tagesspiegel deutlich:

Sind das Zeiten. Wer darf was sagen, wer darf was karikieren? Von wegen, dass Satire alles darf. Was ist das überhaupt noch, Satire? Du lieber Gott, schlag nach bei Tucholsky. Ringelnatz. Und Kästner! (…)
Ja, und dann müsste man mal mitstenografieren, was die Leute so reden (wozu Tucholsky rät). Wie wir diskutieren, wenn wir über die Karikaturen reden. Und merke: Nein, Satire darf nicht alles. Gott behüte. Aus Vorsicht machen wir uns doch lieber ein Bild von Karikaturen als ein Bildnis. Demnächst in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin-Mitte.

Darf man sich jetzt nur noch ironisch zur Satire bekennen? Radio Eriwan würde antworten: Im Prinzip nein, aber besser is scho.

5.2.2006

Blasphemische Verse

Die Welt blickt heute aus gegebenem Anlass auf die Geschichte juristsch verfolgter Gotteslästerung in Deutschland zurück. Autor Uwe Wittstock weist zu Beginn seines Textes darauf hin, dass die liberalen europäischen Traditionen längst nicht so tief verwurzelt seien, wie von vielen geglaubt werde. Seine Reihe von Beispielen, die diese These belegen sollen, führt von Heinrich Heine über Oskar Panizza bis George Grosz, auf dessen Fall sich Tucholsky in dem Text „Die Begründung“ bezog. Doch der Fall Grosz sei nicht der einzige derartige Fall in der Weimarer Republik gewesen:

Kurt Tucholsky mußte sich vor Gericht wegen eines angeblich gotteslästerlichen Gedichtes verantworten, Franz Masareel wegen der Holzschnittfolge „Die Kirche“, Kurt Weill wegen einer religionskritischen Oper. Carl Einstein wurde für „Die schlimme Botschaft“, eine Parodie auf die christliche Passionsgeschichte, trotz 14 Verteidigungs-Gutachten – darunter eines von Thomas Mann – mit seinem Verleger Ernst Rowohlt zu Geldstrafen oder mehrwöchiger Haft verurteilt.

Was Tucholsky betrifft, so bezieht sich Wittstock sich auf dessen Gedicht „Gesang der englischen Chorknaben“, das im August 1928 in der kommunistischen Arbeiter Illustrierte Zeitung erschien. Ein Ingolstädter Journalist stellte damals Strafantrag gegen Tucholsky sowie den Drucker wegen Gotteslästerung nach Paragraph 166 Strafgesetzbuch. Da Tucholsky zu diesem Zeitpunkt meist im Ausland lebte, wurde er erst im März 1929 in Berlin vernommen. Anschließend wurde das Verfahren eingestellt. Tucholsky hatte bei der Vernehmung erklärt, dass das Gedicht aus Anlass eines englischen Bergarbeiterstreiks enstanden sei und sich daher ausschließlich auf die anglikanische Kirche beziehe. Außerdem habe er auf die in England übliche Praxis anspielen wollen, die Glauben „wie eine Zahnpasta anzupreisen“.

4.2.2006

Satirischer Mehrwert

Am Ende der ersten unfreiwilligen europäisch-islamischen Satriewoche versucht Irmtraud Gutschke im Neuen Deutschland Bilanz zu ziehen. In „Wer möchte, dass die Lunte brennt?“ fragt Gutschke brav nach dem cui bono und gibt die Antwort: „Den Medien sowieso“. Aber nicht nur denen könnte die Debatte nützen:

Stell dir vor, übermorgen stürmt eine aufgebrachte Menge die USA-Botschaft in Teheran. Fotos von Ermordeten gehen um die Welt. Der amerikanische Präsident … Nein, man soll den Teufel nicht an die Wand malen. Aber der historisch versierte Leser weiß, wie Kriege oft beginnen.
Andererseits gereicht der Konflikt auch den islamischen Fundamentalisten zum Vorteil.

Wenn die Geschichte des nächsten Golfkriegs einst geschrieben wird, wird man sich an die warnenden Worte des Neuen Deutschland erinnern. Aber was steckt eigentlich hinter dem Ganzen? Gutschke kennt auch ihren Tucholsky und weiß von ihm, dass Satire übertreiben muss und in ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht ist. Sie aber hätte aus „Anstand“ auf die Veröffentlichung der Karikaturen verzichtet, denn sie hat es offenbar nicht nötig, zum Zwecke „einer kurzfristigen Befreiung von eigenen inneren Bedrückungen“ blasphemisch zu werden. Das scheine aber bei vielen Journalisten und Künstlern der Fall zu sein, so dass man die Debatte eigentlich nur mit psychologischen Maßstäben beurteilen könne. Und wie bekommt man jetzt die Kurve zum historischen Materialismus?

Auch das gehört zur Scheinwelt, von der wir umgeben sind: In der Gesellschaft des Kapitals ist nichts, aber auch gar nichts mehr heilig. Marx und Engels haben es ja im Kommunistischen Manifest vorausgesagt. Was Menschen hier schon weh tut, auch wenn sie es verdrängen und unter dem Begriff Freiheit verbuchen, wie sehr mag es jene treffen, die sich in anderen Wertzusammenhängen befinden und den westlichen Kapitalismus nicht akzeptieren wollen, an dessen Reichtum sie nicht teilhaben.

Na geht doch.

Wie schön war doch die Zeit, als anständige Sozialisten entscheiden durften, was in den heiligen Parteiblättern zu stehen hatte.

3.2.2006

Post vom Sudelblog

Lieber Franz Josef Wagner,

es freut uns natürlich sehr, zu lesen, dass Sie in Ihrer heutigen „Post von Wagner“-Kolumne Kurt Tucholsky als den „größten deutschen Satiriker“ bezeichnen. Ebenfalls sind wir froh darüber, dass Sie sich in letzten Sinnfragen mit der Religion als Opium begnügen und nicht verzweifelt zu anderen Drogen greifen müssen.

Ein wenig traurig stimmt uns dagegen, dass Sie Tucholskys Ansichten über die Satire, wie es häufig geschieht, auf den Satz zusammenschnurren lassen, wonach diese „alles“ dürfe. Völlig unverständlich erscheint uns außerdem der direkte Haken, den Sie von der Satire zu Aids-, Säufer- und Jenseits-Witzen schlagen.

Vielleicht hätte es Ihnen geholfen, sich Tucholskys Originaltext „Was darf die Satire?“ durchzulesen, bevor Sie sich zu diesem schwierigen Thema äußerten. Dann hätten Sie sicherlich einen gewissen Unterschied zwischen dümmlichen Witzeleien und echter Satire erkannt und vielleicht auch verstanden, warum Tucholsky vor keiner sprachlichen Waffe zurückgeschreckt hätte, wenn es darum gegangen wäre, die Auswüchse von religiösem Fanatismus und dogmatischer Borniertheit auf Erden anzuprangern. Religion ist leider nicht nur „Dialog mit dem Jenseits“, wie Sie so schön schreiben, sondern war auch diesseitige Kreuzzüge, Hexenverbrennung, geistige Unterdrückung und gesegnete Kanonen.

Allerdings konnte Tucholsky auch unterscheiden zwischem dem, was die Satire darf, und dem, was sie kann: „Satire hat eine Grenze nach oben: Buddha entzieht sich ihr“, schrieb er 1932. Und was die von Ihnen beklagte Witzelsucht des Westens angeht, hatte er ebenfalls einen Rat zur Hand:

Nur ein wirklich frommer Mensch darf so gute Witze über die Religion machen wie dieser hier. »Die Allmacht Gottes im Donnerwetter wird nur bewundert entweder zur Zeit, da keines ist, oder hintendrein beim Abzuge.«
Peter Panter: „Schrei nach Lichtenberg“, in: Vossische Zeitung, 25. Januar 1931, Nr. 42

Und weil die „Bild“-Zeitung so unglaublich fromm ist, ist ihr natürlich einer der besten religiösen Witze aller Zeiten gelungen.

Nachtrag 24.2.2006: Die Titanic schrieb ihrem Leser Franz Josef Wagner ebenfalls einen netten Brief.

Was dürfen Gegner religiöser Satire?

Karikaturenstreit und kein Ende. Tucholskys Diktum, wonach Satire „alles“ dürfe, wird von vielen Kommentatoren zum Aufhänger genommen, sich mit den möglichen Auswirkungen der Debatte auf Kunst- und Pressefreiheit auseinanderzusetzen. Die Nachrichtenagentur dpa verbreitete einen historischen Abriss über Streitfälle zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten vor deutschen Gerichten. Darin heißt es:

Was Kurt Tucholsky 1919 über die Satire geschrieben hat, gilt auch für die Karikatur: «Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht.» Die Schlussfolgerung des Schriftstellers und promovierten Juristen – Satire dürfe alles – würden deutsche Richter allerdings nicht unterschreiben.

Auch Gerhard Mumme von der Frankfurter Neuen Presse bezieht sich in einem engagierten Kommentar auf den Text von 1919:

Was darf Satire?, fragte sich einst Kurt Tucholsky. Und er antwortete kurz und bündig: Alles! Auch wenn es, wie Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sana im akuten Fall konstatiert, «die heiligen Prinzipien hunderter Millionen Araber und Moslems verletzt»? Man kann sich kaum vorstellen, dass der Schriftsteller, dessen Werke von den Nazis verbrannt und der schon 1933 aus Deutschland ausgebürgert wurde, darauf mit Nein geantwortet hätte. Und jetzt erst recht nicht mehr!

Sein etwas pessimistisches Resümee am Schluss lautet:

Was darf Satire? Wohl bald nicht mehr viel, wenn sie auf die Toleranz des Islam und die Prinzipienfestigkeit der westlichen Eliten vertrauen muss.

22.1.2006

Warum

müssen die Kinder eigentlich morgens so früh in die Schule gehen, fragte der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger neulich ganz unbedarft und erntete dafür reichlich Applaus. „Warum müssen eigentlich fast alle Leute, die in einer Anstalt untergebracht sind, früh aufstehen?“, fragte Tucholsky einst in der „Weltbühne“, und seine Antwort dürfte den Kindern immer noch gefallen:

Gebt den Leuten mehr Schlaf – und sie werden wacher sein, wenn sie wach sind.
Ignaz Wrobel: „Warum“, in: Die Weltbühne, 21. Januar 1930, S. 150

Powered by WordPress